Geschichte der deutschen Forschungs- und Kulturinstitute in Rom 1918-1960

Forschung

Drei Leitfragen bestimmen die Anlage des Kooperationsprojektes: Was bedeutete Wissenschaftler-Sein in einem außeruniversitären, ‚extra-territorialen‘ deutschen Forschungs- und Kulturinstitut? Wie funktionierte Wissenschaft, wenn gerade spezifisch (kultur-)politische Erwartungen an sie herangetragen wurden? Wie gingen die Institutsangehörigen mit der Herausforderung um, als Vermittler zwischen der deutschen Wissenschaftsgemeinde und der internationalen, insbesondere auch italienischen scientific community zu fungieren?

Ein erster Interessensschwerpunkt des Kooperationsprojektes liegt demnach auf den personellen Strukturen. So ist es kaum vorstellbar, dass die sich stets verändernden institutionellen Rahmenbedingungen unter den unterschiedlichen politischen Systemen keine Auswirkungen auf Überlegungen und Maßnahmen hatten, die den Bereich der Personalpolitik betreffen. Wie wurde wissenschaftlicher Nachwuchs rekrutiert? Welche Rolle spielte hierbei das Geschlecht oder die Konfession? Wie gestaltete sich der Berufsalltag? Kam es ‚nur‘ im Laufe der 1930er Jahre zu einer Politisierung der Berufspraxis oder auch schon früher bzw. später? Neue Erkenntnisse verspricht in diesem Kontext auch die Frage nach den Karrierebedingungen und -chancen eines in einem außeruniversitären, ‚extra-territorialen‘ Forschungsinstitut tätigen Wissenschaftlers.

Mit der zweiten Leitfrage wird der Fokus indessen auf das weite Feld der Beziehungen zwischen Wissenschaft und Politik gelenkt. So muss man sich stets vergegenwärtigen, dass die in Rom angesiedelten deutschen Forschungs- und Kulturinstitute ungeachtet ihres Sitzes im Ausland Teil der deutschen Wissenschaftslandschaft waren und vom deutschen Staat, zum Teil unterstützt durch private Mäzene und Förderer, finanziert und betrieben wurden. Um zu klären, wer von außen wie Einfluss auf die Arbeit, den Zweck und die Ausrichtung der in Rom angesiedelten deutschen Forschungs- und Kulturinstitute nehmen konnte, erscheint eine vergleichende Analyse des Rechtsstandes und der wissenschaftsorganisatorischen Profilbildung der Einzelinstitute dringend geboten. Weitere Aspekte, die es im Rahmen des Kooperationsprojektes zu erörtern gilt, betreffen die konkrete Forschungspraxis selbst: Welche Kontinuitäten und Brüche kristallisieren sich in Hinblick auf die verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Umbrüche des 20. Jahrhunderts heraus? Lassen sich signifikante oder punktuelle Veränderungen von Forschungsthemen und -agenden ausmachen?

Bedingt durch ihren ‚extra-territorialen‘ Standort stießen die Angehörigen der in Rom angesiedelten deutschen Forschungs- und Kulturinstitute auf ideale Ausgangsbedingungen, um Kontakte zwischen Wissenschaftlern und Künstlern aus aller Welt zu knüpfen. Von hoher Relevanz für das Kooperationsprojekt erscheint daher auch die Analyse von Aufbau-, Stabilisierungs- und Transformationsprozessen von Beziehungsgefügen. Im Rahmen des Kooperationsprojektes werden insbesondere die folgenden sechs Beziehungsgefüge als Untersuchungsebenen in den Blick genommen:

I. Die Beziehungen der in Rom angesiedelten deutschen Forschungs- und Kulturinstitute untereinander;

II. Die Beziehungen der in Rom angesiedelten deutschen Forschungs- und Kultureinrichtungen zur deutschen Wissenschaftslandschaft bzw. zum deutschen Wissenschaftssystem;

III. Die Beziehungen der deutschen Forschungs- und Kulturinstitute zum Gastland im Allgemeinen, den italienischen geisteswissenschaftlichen Akademien, Forschungs- und Kultureinrichtungen im Speziellen;

IV. Die Beziehungen der deutschen Forschungs- und Kulturinstitute zum Kirchenstaat im Allgemeinen, den vatikanischen geisteswissenschaftlichen Akademien, Forschungs- und Kultureinrichtungen im Besonderen;

V. Die Beziehungen der deutschen Forschungs- und Kulturinstitute zu den weiteren in Rom ansässigen, ausländischen geisteswissenschaftlichen Akademien, Forschungs- und Kultureinrichtungen bzw. zur scientific community;

VI. Die Beziehungen der deutschen Forschungs- und Kulturinstitute zur ‚deutschen Kolonie‘ in Rom.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Rom zu einem einmaligen internationalen Zentrum geisteswissenschaftlicher Forschung. Eine herausragende Rolle spielten hierbei die Altertumswissenschaften, die Geschichtswissenschaften und die Kunstgeschichte, für welche die Ewige Stadt als ein Knotenpunkt der westlichen Zivilisation mit seinem historischen und kulturellen Erbe, als zentraler Ort der Speicherung, Tradierung und Präsentation von Wissen und Kultur sowie als Laboratorium der Entwicklung der Institutionen von Archiv, Bibliothek und Museum eine enorme Attraktivität entfaltete. Gleichwohl förderte die hohe Präsenz von Künstlern aus ganz Europa, die seit der Mitte des 18. Jahrhunderts verstärkt nach Rom strömten und als Erste die Etablierung nationaler Akademien vor Ort anstrebten, einen regen übernationalen, geistigen Austausch.

Gegenwärtig beherbergt die Ewige Stadt zehn italienische und siebenundzwanzig nichtitalienische Akademien, Forschungs- und Kultureinrichtungen, die in der übernationalen Vereinigung Unione internazionale degli istituti di archeologia, storia e storia dell’arte in Roma miteinander assoziiert sind. Fünf der siebenundzwanzig nichtitalienischen Akademien, Forschungs- und Kultureinrichtungen befinden sich dabei in deutscher Trägerschaft. Neben dem 1888 gegründeten römischen Institut der Görres-Gesellschaft existieren als älteste deutsche wissenschaftlicher Einrichtung im Ausland überhaupt das Deutsche Archäologische Institut, dessen Anfänge auf das Jahr 1829 zurückreichen, das 1888 gegründete Deutsche Historische Institut, die 1913 ins Leben gerufene, kunsthistorischen Studien gewidmete Bibliotheca Hertziana sowie die seit 1910 bestehende Deutsche Akademie Rom Villa Massimo.

Literatur:

- Blüher, Joachim (Hg.) (2011): Villa Massimo. Deutsche Akademie Rom 1910 - 2010. Hundert Jahre Deutsche Akademie Rom Villa Massimo. Köln: Wienand.

- Ebert-Schifferer, Sybille; Bernstorff, Marieke von (Hg.) (2013): 100 Jahre Bibliotheca Hertziana. Die Geschichte des Instituts 1913 - 2013. München: Hirmer (Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte, 1).

- Elze, Reinhard; Esch, Arnold (Hg.) (1990): Das Deutsche Historische Institut in Rom 1888-1988. Tübingen: Niemeyer (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom, 70).

- Fröhlich, Thomas (2007): Das Deutsche Archäologische Institut in Rom in der Kriegs- und Nachkriegszeit bis zur Wiedereröffnung 1953. In: Michael Matheus (Hg.): Deutsche Forschungs- und Kulturinstitute in Rom in der Nachkriegszeit. Tübingen: M. Niemeyer (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom, 112), S. 139–179.

- Matheus, Michael (Hg.) (2007): Deutsche Forschungs- und Kulturinstitute in Rom in der Nachkriegszeit. Tübingen: M. Niemeyer (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom, 112).

- Vigener, Marie (2012): "Ein wichtiger kulturpolitischer Faktor". Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts im 20. Jahrhundert/Das Deutsche Archäologische Institut zwischen Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit, 1918 bis 1954. Rahden, Westf: Leidorf (ForschungsCluster 5, Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts im 20. Jahrhundert, 7).

- Windholz, Angela (2008): Et in academia ego. Ausländische Akademien in Rom zwischen künstlerischer Standortbestimmung und nationaler Repräsentation 1750 -1914. Regensburg: Schnell & Steiner.