Wasser und Kult im Heraion von Samos

Samos, Imbrasos-Zufluss oberhalb der Brücke an der Straße von Ireon nach Myloi, Blick flussabwärts. © DAI Athen // Johanna Fuchs

Forschung

Ziel der interdisziplinär angelegten dreijährigen Studie ist es, die in zahlreichen Publikationen, Tagebüchern und anderen Grabungsdokumentationen (Zeichnungen, Photos, etc.) verstreuten Informationen zu hydrotechnischen Elementen im Heraion zusammenzutragen und in Zusammenarbeit mit Wasserbauingenieuren und Hydrologen im Rahmen einer Gesamtschau zu analysieren und auch im Hinblick auf das Kultgeschehen im Heiligtum neu zu interpretieren.

Welche Rolle spielt die Hydrologie des Imbrasos-Flusses für das Heraion?

Durch eine Niederschlags-Abfluss-Modellierung sollen Hochwasserereignisse als Folge von Starkregen ebenso wie Dürrephasen als Folge geringer Niederschläge bemessen werden, um so die Grundlage für wasserwirtschaftliche Überlegungen zu kreieren. Das Niederschlags-Abflussmodell wird mit SWAT (Arnold u. a. 2012) erstellt. Es liefert sowohl Spitzenabflüsse als auch Grundwasserneubildungsraten zur Berechnung des Klima-Einflusses auf die Hydrologie.

Obwohl die bronzezeitliche Siedlung oberhalb der Flussmündung auf einem Terrain einige Dezimeter höher als die Umgebung angelegt worden war, war sie dennoch durch Extremereignisse gefährdet. Die ursprüngliche Topographie des Geländes kann aus Bodenaufschlüssen ›herausgefiltert‹ werden und damit bei vorliegenden Abflussdaten des Imbrasos die Gefährdung durch Hochwasser und damit die Wirksamkeit des ›Ringwalls‹ als Hochwasserschutzanlage abgeschätzt werden. Die Ergebnisse sind weitgehend direkt auf das Heiligtum in geometrischer Zeit übertragbar.

Seit archaischer Zeit muss von einer veränderten Topographie ausgegangen werden. Unter Berücksichtigung des durch Schwemmschichten und künstlich aufgehöhten Geländes werden aus den berechneten Spitzenabflüssen die Überflutungsflächen für eine rekonstruierte Topographie berechnet. Die Überflutungsflächen zeigen die Höhe der Überflutung und können durch die beobachteten Flutsedimente validiert werden. Die Ergebnisse der Niederschlags-Abfluss-Modellierung dürften in Bezug auf Hochwasserschutzbauwerke (Nord- und Südhalle etc.) eine Beurteilung bisheriger Hypothesen ermöglichen. In inverser Rechnung werden aus den vorhandenen Flutsedimentprofilen mit der paläohydrologischen Methode (Benito u. a. 2015), die Abflüsse rekonstruiert, die zur Ablagerung dieser Sedimente geführt haben.

Welche Rolle spielten Änderungen der Grundwasserverhältnisse?

In der geometrischen und archaischen Phase des Heiligtums, und vielleicht noch einmal in römischer Zeit, wurde der Wasserbedarf des Heiligtums aus dem Grundwasser gedeckt. Um dies nachzuweisen, ist eine Simulation des Grundwasserverhaltens erforderlich.

Als Modellgebiet wird der alluviale Küstenaquifer gewählt. Für eine Modellierung ist die Bestimmung einer Grundwasserneubildungsrate und eines Randzuflusses erforderlich. Aus hydrogeologischer Sicht kann aus den bekannten Neubildungsraten unterschiedlicher Klimastufen im östlichen Mittelmeerraum (Zagana u. a. 2007; Kuells u. a. 1998) die Spanne des möglichen Wasserdargebotes ermittelt werden.

Die Auswirkung von Drainage und Überschwemmung auf die Wasserstände sollen in einem Szenario untersucht werden. Dafür werden die als solche angesprochenen Drainage-Kanäle und Gräben eingesetzt, um deren Wirkung und den Wasseranstieg im Falle ihres Versagens beispielsweise durch Sedimente zu zeigen.

Welche Maßnahmen zur Anpassungen der wasserbaulichen Systeme wurden getroffen und wie korrelieren diese mit Änderungen der Nutzung und der Hydrologie?

Nach einer Dürrephase in klassischer Zeit wurde die Wasserversorgung des Heraions offensichtlich in der hellenistischen Phase, möglicherweise auch bereits früher, durch Wasserleitungen sichergestellt, die deutliche Sinterablagerungen aufweisen. Hier ist zu erkunden, von welchen Quellen wieviel Wasser in welchen Trassen abgeleitet und im Heraion auf welche Weise und wohin verteilt wurde, um so ggf. auf die versorgbare Zahl von Besuchern des Heiligtums schließen zu können. Neben der Erkundung und Vermessung im Gelände werden Sinteranalysen bei der Beantwortung dieser Fragen von großer Bedeutung sein. Die Bildung von Sinterkalken unterliegt dabei Isotopengleichgewichten zwischen temperaturabhängigen 13C/12C und 18O/16O im Wasser und im Karbonat, aus denen die Temperatur bei der Sinterung bis auf 0.2 ° Celsius abgeleitet werden kann (Bishop 1990). Aus den Sinterfolgen können wegen des stark saisonal geprägten Klimas ggf. relative Datierungen und Nutzungsphasen abgeleitet werden. Somit ließen sich über Sinteranalysen Auskünfte über den Zeitpunkt des Betriebsbeginn und -endes der Ableitungsrohre vom Verteiler erzielen. Details von Rohren der verschiedenen Leitungen sind für ein Kataster zu dokumentieren.

Folgt man der Literatur, so wurden seit römischer Zeit auch Zisternen zur Bewirtschaftung des Wassers im Heraion genutzt. Hier wäre die Frage zu klären, ob dies wirklich der Fall war und ob die verfügbaren Ressourcen aus Grund-, Leitungs- und/oder Regenwasser dies überhaupt erforderlich machten. Die Untersuchung der Speicher erfolgt wasserbaulich hinsichtlich ihrer Funktion im System.

Seit der ersten Besiedlung im Gebiet des späteren Heraions war das Areal insbesondere im Frühjahr zu entwässern. Dabei dürften neben Oberflächenwasser auch Abwässer mit abgeleitet worden sein, so dass von einem Mischsystem gesprochen werden kann. Zahlreiche Hinweise auf Kanäle aus allen Epochen gibt es in der Literatur. Diese sind zusammenzutragen und im Vergleich mit der jeweiligen topographischen Situation hypothetisch zur Rekonstruktion eines Entsorgungssystems einzusetzen.

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Wasser und Kult?

Die neuen Forschungsfragen und –ziele sollen in eine Rekonstruktion des Kultgeschehens im Heraion münden. Hierfür wird eine Konkordanz der Befunde mit den wasserbaulichen Maßnahmen und den Klimainformationen erstellt.

Informationen über wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Elemente im Bereich des Heraions sind in vielen Publikationen im Zusammenhang mit dem jeweiligen Grabungsbefund erwähnt, in der Regel in hydrotechnischem Kontext aber nicht kommentiert worden.

Welche Rolle spielt die Hydrologie des Imbrasos-Flusses für das Heraion?

Welche Rolle spielten Änderungen der Grundwasserverhältnisse?

Welche Maßnahmen zur Anpassungen der wasserbaulichen Systeme wurden getroffen und wie korrelieren diese mit Änderungen der Nutzung und der Hydrologie?

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Wasser und Kult?

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Stehendes Wasser im Bereich des großen Tempels (Dipteros II) im Heraion von Samos (Frühjahr 2013). © DAI Athen // Johanna Fuchs
Brunnenanlage_H_Wagner_DAI_Athen
Brunnenanlage im Heraion von Samos. Die vermutlich in klassischer Zeit enstandene Brunnenanlage im nördlichen Bereich des Heiligtums wurde mehrfach umgebaut. Im Hellenismus und in der Kaiserzeit war sie mit einem Schutzdach versehen. © DAI Athen // Herman Wagner
Heraion von Samos, kleine spätantike Thermenanlage auf dem Altarplatz © DAI Athen // Stefan Biernath
Wasserschacht_H_Wagner_DAI_Athen
Wasserschacht im südlichen Bereich des Heraions von Samos. © DAI Athen // Herman Wagner
Bronzener_Wasserspeier_H_Wagner_DAI_Athen
Der bronzene Wasserspeier in Form eines Löwenkopfes, auf dem sich ein Frosch niedergelassen hat, wurde in einem archaischen Wasserbecken im Heraion von Samos gefunden. Er befindet sich heute im Athener Nationalmuseum. © DAI Athen // Hermann Wagner
Brunnen_W2_G_Hellner_DAI_Athen
Der sog. Brunnen W 2 im Heraion von Samos. © DAI Athen // Gösta Hellner
Geometrischer_Brunnen_G_E-M_Czakó_DAI_Athen
Geometrischer Brunnen im Heraion von Samos. In dem im Bereich der späteren Exedra der Ciceronen ergrabenen Bauwerk wurden diverse, z. T. gut erhaltene Gefäße gefunden. © DAI Athen // Eva-Maria Czakó
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Aktuelle Trasse des Imbrasos und Flussakumulationslinien im Einzugsgebiet des Heraion © Technische Hochschule Lübeck // Anna Androvitsanea
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Ausschnitt aus dem GIS-Plan mit den kartierten wasserbaulichen Einrichtungen im Heraion von Samos © DAI Athen // Thekla Schulz-Brize, Hans Birk, Johanna Fuchs