Ressourcennutzung auf Rapa Nui (Osterinsel/Isla de Pascua), Chile

© DAI // Annette Kühlem

Forschung

Ava Ranga Uka A Toroke Hau - Forschungsziele

Die Arbeiten der Forschungen gehen in zwei Richtungen: Zum Einen liefern sie mit einer Dokumentation und Prospektion ausgewählter Monumente und Fundplätze unter Verwendung neuester Techniken einen Beitrag zu deren Sicherung und Erhalt. Zum Anderen gilt das Interesse – eingedenk der von jeher begrenzten Biodiversität und anderer natürlicher Ressourcen auf der Osterinsel – der Frage nach dem Zugang zu und dem Umgang mit den Ressourcen Wasser und Boden durch die Rapanui. Hierzu werden internationale und interdisziplinäre Feldforschungen am Fundort Ava Ranga Uka A Toroke Hau durchgeführt. 

Die Fachbereiche umfassen die Archäologie, Anthropologie, mündliche Überlieferungen, Mythen und Legenden, die Geoarchäologie, Geomorphologie, Bodenkunde, Botanik, Anthrakologie, Mikrofossiluntersuchungen, Fernerkundung und Geodäsie und Umweltforschungen.

Durch die Vielfalt der Disziplinen, Expertisen und kulturellen Hintergründe entsteht ein Gesamtbild der diachronen Prozesse am Fundort Ava Ranga Uka A Toroke Hau. Komperative Studien mit anderen Inseln Ost-Polynesiens eröffnen neue Perspektiven für die wissenschaftliche Interpretation. Auf der Osterinsel sind aufgrund des dramatischen Bevölkerungsrückgang als Folge des Kontakt mit der Außenwelt nur wenige mündliche Überlieferungen und traditionelles Wissen erhalten. Im Vergleich mit anderen Inseln des polynesischen Kulturraums, wo dieses Wissen schon früh schriftlich festgehalten wurde, lassen sich viele Erklärungsansätze für die archäologischen Befunde auf Rapa Nui erschließen.  

Rapa Nui - Forschungsgeschichte

Mündliche Überlieferungen besagen, dass sich der legendäre König Hotu Matua, der die Insel mit seinem Gefolge besiedelte, bereits der Problematik durch die knappen Wasserresourcen auf Rapa Nui gewahr war, und vor seinem Tod anordnete, Brunnen zu bauen. 

Als erste Europäer betraten holländische Seeleute am 5. April 1722 die Insel, die nach dem Tag dieses Besuches als Osterinsel bezeichnet wurde. Die frühesten Schriftquellen mit Beschreibungen der Insel stammen von dieser Expedition, die eine Woche auf der Insel weilte. Im starken Gegensatz zu den später populär gemachten Theorien bezüglich Umweltzerstörung und daraus resultierendem gesellschaftlichen Kollaps, zeichnen Besatzungsmitglieder wie Carl Friedrich Behrens ein sehr positives Bild der Insel und ihrer Bewohner. Die Steinstatuen standen auf ihren Zeremonialplattformen und wurden verehrt, die Menschen werden als gesund und wohlgenährt beschrieben, es gitb keinerlei Hinweise auf gewaltsame Auseinandersetzungen, für die Anbauflächen der Rapanui zieht Behrens den Vergleich mit einem "irdischen Paradies". 

Der Landgang der europäischen Seeleute allerdings, war überschattet von Gewalt. Als wohl erste Besucher seit vielen Generationen, gingen 134 Seeleute, bewaffnet mit Musketen, Pistolen und Macheten, an Land. Aufgrund eines Missverständnisses eröffnete ein Besatzungsmitglied eigenmächtig das Feuer. 10 bis 12 Rapanui wurden getöten, viele weitere verletzt. 

Über 50 Jahre später, 1774, besucht James Cook mit seiner Expedition die Insel. Die Schriftquellen seiner Besatzung zeigen ein anderes Bild. Viele der Moai stehen nicht mehr auf ihren Plattformen standen, sondern sind umgestürzt. Die Insel wird als karg mit nur wenigen Pflanzungen beschrieben, die Menschen als "armselig". Die wissenschaftliche Lehrmeinung ist, dass die Diskrepanz zwischen der Situation 1722 und 1774 als Konsequenz auf die Ankunft der ersten Europäer verstanden werden muss. 

Schon die frühesten Schriftquellen der europäischen Seefahrer berichten von der schlechten Trinkwasserqualität auf Rapa Nui. Das Wasser wird als brackisch beschrieben und es wird erwähnt, dass es keinerlei Flüsse oder Bäche auf der Insel zu geben scheint.

Die britische Archäologin Katherine Routledge leitete 1914/15 ersten wissenschaftlichen Ausgrabungen auf der Osterinsel. 1934 befasste sich eine französisch-belgische Forschergruppe unter Henri Lavachery und Alfred Métraux ebenfalls mit der archäologischen und ethnographischen Erforschung der Insel. Gleichermaßen wichtig waren die Arbeiten des Inselpriesters Sebastian Englert, einem bayrischen Kapuzinermönch, der von 1935 bis 1969 gewissenhaft Beobachtungen zur Archäologie, Ethnographie und Sprache der Rapanui sammelte. Englert befasste sich auch mit der Thematik des Trinkwassers auf der Insel. Er erstellte eine umfassende Liste von Brunnen und Zisternen und betonte die Tatsache, dass die Rapanui Monate mit wenig oder keinem Niederschlag als Dürreperioden betrachteten.

Doch erst die norwegischen Ausgrabungen von 1955/56 unter der Leitung Thor Heyerdahls und deren populärwissenschaftliche Aufbereitung setzten die Rapanui-Kultur endgültig auf die archäologische Weltkarte. Bald drängten sich zahllose Expeditionen aus Chile, den USA, Europa und Japan, die sich – wenn auch nicht ausschließlich, so doch bevorzugt – mit den steinernen Riesen aus weichem Tuffstein beschäftigten. Nach und nach wurden etwa fünfzehn Ritualplattformen rekonstruiert und die dazugehörigen Moai wieder aufgestellt, wobei in vielen Fällen eine Dokumentation der Maßnahmen nicht existiert oder nicht mehr zugänglich ist. 

Mittlerweile ist ein Großteil der Insel systematisch prospektiert und der Denkmalbestand erfasst. Allerdings werden bei der großen Dichte der archäologischen Hinterlassenschaften immer wieder neue Funde gemacht. Erst im Frühjahr 2023 wurde innerhalb des ausgetrockneten Kratersees Rano Raraku eine weitere Moai-Statue entdeckt. 

Die archäologischen Forschungen der letzten zwei Jahrzehnte konzentrierten sich zunehmend auf Fragen der Subsistenz und der Adaption und auf umweltwissenschaftliche Fragen. 

Rapa Nui. Luftaufnahme des Vaipú Baches in dem der Fundort Ava Ranga Uka A Toroke Hau liegt © DAI // Christian Hartl-Reiter
Rapa Nui. Ava Ranga Uka A Toroke Hau. Bachaufwärts fotographierte massive Mauern im Bachbett © DAI // Burkhard Vogt
Rapa Nui. Fundort Ava Ranga Uka A Toroke Hau. 3D-Aufnahme eines megalithischen Wasserbeckens © DAI // Christian Hartl-Reiter
Rapa Nui. Ava Ranga Uka A Toroke Hau. Fotomosaik des Grabungsareals mit den einzelnen Grabungsschnitten © DAI // Christian Hartl-Reiter
Rapa Nui. Ava Ranga Uka A Toroke Hau. Der Wasserfall nach heftigen Regenfällen © DAI // Annette Kühlem
Rapa Nui. Ava Ranga Uka A Toroke Hau. Fotomosaik der gepflasterten Fläche mit teilweise abgedecktem Kanal im Zentrum des Fundortes © DAI // Christian Hartl-Reiter
Rapa Nui. Ava Ranga Uka A Toroke Hau. Arbeiten zur Rekonstruktion der Terrassenmauer © DAI // Annette Kühlem
Rapa Nui. Ava Ranga Uka A Toroke Hau. Digitale Rekonstruktion der nachgewiesenen Jubaea-Palmen innerhalb der Pflasterfläche © DAI // Annette Kühlem, C. Schumann
Rapa Nui. Befragungen der lokalen Mitarbeiter zur Rapanui Linguistik © DAI // Annette Kühlem
Rapa Nui. Fundort Ava Ranga Uka A Toroke Hau. Rekonstruierte Terrasse © DAI // Burkhard Vogt