Karakorum – Die Stadt des Dschingis Khan

Granitschildkröte, die als Inschriftenbasis in Karakorum aufgestellt wurde, im Hintergrund das Kloster Erdene Zuu © DAI KAAK // Anonym

Ergebnisse

Die seit 2000 laufenden Ausgrabungen in der altmongolischen Hauptstadt haben das althergebrachte Bild von Karakorum grundlegend revidiert. So repräsentiert die große, von seinem ersten Ausgräber Sergej Kiselev 1948/49 als Palast des Ögedei identifizierte Säulenhalle im Südwesten Karakorums nicht den Palast, sondern einen großen buddhistischen Tempel des 13. und 14. Jahrhunderts. Der Palast hingegen lag vermutlich innerhalb des Klostergevierts von Erdene Zuu.

Die in den Jahren 2005, 2006, 2012 und 2013 angelegten Schnitte an den Außenwällen des Klosters, darunter auch am Osttor, haben den Nachweis erbracht, dass die Klostermauer auf einer älteren Stampflehmkonstruktion mit Blendmauer errichtet wurde. Im Bereich der östlichen Toranlage finden sich mit einer Kombination aus Mauervorsprung und nach innen weisender Mauerkonstruktion recht eindeutige Hinweise auf einen Vorgänger der heutigen Eingangssituation.

Im Zuge der bis 2006 abgeschlossenen archäologischen Untersuchung des umwallten Areals, das Kiselev als Palast angesprochen hatte, konnte ein im Grundriss quadratisches Gebäude auf einem künstlich aufgeschichteten Podium freigelegt werden. Acht mal acht Säulenbasen aus Granit gliedern das Innere der Halle. Sowohl die Innengestaltung als auch das Fundmaterial weisen recht eindeutig auf eine sakrale Nutzung als buddhistischer Tempel hin.

Ob es sich bei dieser „Großen Halle“ um den in der Karakorum-Inschrift von 1346 beschriebenen Tempel „des Ursprungs der Yuan“ handelt, muss zunächst offen bleiben. Die Ausstattung, das Bildprogramm, der quadratische Grundriss und die Größe der Halle – nach Bodenrelief, Luftbildinformation und geomagnetischem Befund mit 38 x 38 m das vermutlich größte Einzelgebäude in der Stadt – stützen diese Annahme ebenso wie der hallennahe Standort der großen Granitschildkröte, der mutmaßlichen Basis der dem Tempel geweihten Inschrift von 1346.

Vorherrschendes Thema in der Bildkunst Karakorums, vor allem in der Reliefplastik, sind die fünf kosmischen Buddhas oder fünf Tathagatas mit ihren typischen Begleitern wie dem Avalokitesvara Padmapani. Die buddhistische Kunst aus der Großen Halle zeigt sowohl in der Plastik als auch in der Wandmalerei ein Nebeneinander von mindestens drei Atelierstilen, die sämtlich den „Internationalen Stil“ des 12. bis 14. Jahrhunderts repräsentieren. Indisch-nepalesische und zentraltibetische Einflüsse sind dabei in der Kunst Karakorums zu identifizieren.

Modelfunde und Werkstücke aus den im Jahr 2000 ausgegrabenen Brennöfen, die gleich einer europäischen Dombauhütte im Tempelbezirk standen, zeigen, dass nicht nur Mauersteine und Dachziegel, sondern wohl auch die Tonplastik sowie die zu Zehntausenden in der Halle deponierten Votivstupas in Karakorum selbst gefertigt worden sind.

Im Rahmen von laufenden Konservierungsmaßnahmen im Bereich der Großen Halle, die auch mit der Einrichtung eines offenen Museums einhergehen, wurden 2014 vorbereitende archäologische Arbeiten am Podest durchgeführt. Dabei konnte in der unteren Schichtung in allen vier Ecken des Podiums sowie unter der östlichen und westlichen Treppenanlage jeweils eine Gefäßdeponierung nachgewiesen bzw. in vier Fällen auch geborgen werden. Durch die vor der Witterung einigermaßen geschützte Lage im Stampflehm war auch der Inhalt dieser Deponierungen noch gut erhalten und brachte erstaunliche Erkenntnisse: Neben Getreideresten handelt es sich dabei um die sog. Neun Schätze, neun Objekte aus neun verschiedenen Materialien (u. a. Eisen, Gold, Koralle), die vermutlich als „heilbringende“ Bauopfer zu Beginn der Errichtung des Tempels in die Podestschichtungen gelegt wurden.

Zwischen 2006 und 2009 wurden im Norden der Stadt zwei Häuser in einem vierteiligen Gebäudeensemble aus einem Torhaus, einem nach Osten gelegenen Zentralbau und zwei Nebengebäuden im Norden und Süden vollständig ausgegraben. Damit konnte zum ersten Mal in der Mongolei ein mittelalterliches Haus im Grundriss komplett erschlossen werden. Da sich in einer mongolischen Stadt im Norden am ehesten Nachweise der Bewohner erkennen lassen, die wie die europäischen Christen nach Herkunft und Religion nicht ganz zur übrigen Stadtbevölkerung gehörten, wurde der Norden Karakorums gewählt, um „alternative“ Inventare zu finden.

Obwohl Funktion und Zugehörigkeit des Nordhauses noch nicht abschließend geklärt werden konnten, scheinen Deponierungen von Rinderhornzapfen innerhalb des Hauses und der fehlende Nachweis von Heizungen eher gegen ein Wohnhaus und für einen Kultbau zu sprechen.

In einem zusammenhängenden Baukomplex mit dem Nordhaus ist auch das Osthaus zu sehen. Hier fanden sich zahlreiche Reste von Wandputz mit Malerei, chinesischer Keramik und Bauschmuck, die auf eine herausgehobene Bedeutung des Osthauses schließen lassen. Die Westausrichtung des Baus und der Bezug zum Nordhaus sind jedoch nicht eindeutig mit einer Interpretation als buddhistisches Heiligtum zu vereinen.