Archäologisches Projekt Nasca-Palpa, Peru

Bodenzeichnungen bzw. Scharrbilder wurden zuerst in der Paracas-Zeit (800-200 v. Chr.) angelegt und entwickelten sich in der frühen und mittleren Nasca-Zeit (0-450 n. Chr.) zur vollen Blüte. Nach der Nasca-Zeit (600 n. Chr.) wurden keine Geoglyphen mehr hergestellt. © DAI-KAAK // Markus Reindel

Ergebnisse

Forschungsergebnisse

Im Forschungsgebiet um Palpa (Abb. 01.) findet sich eine große Anzahl vorspanischer Siedlungsreste in unmittelbarer Nähe oder sogar in Verbindung mit Bodenzeichnungen. Ein detaillierter Survey des Gebietes, Vermessungen, Testgrabungen und die Analyse von Oberflächenfunden von mehr als 700 Fundstellen belegten, dass das Untersuchungsgebiet zumindest von der frühen Formativzeit (ca. 1500 v. Chr.) bis zum Ende der vorspanischen Zeit (1532 n. Chr.) durchgehend besiedelt war. Allerdings ließen sich erhebliche Veränderungen in der Siedlungsdichte und bedeutende Verlagerungen der Siedlungszentren in den Tälern beobachten, was nach neuesten Erkenntnissen auf klimatische Veränderungen zurückzuführen ist. Bodenzeichnungen wurden zuerst in der Paracas-Zeit (800–200 v. Chr.) angelegt und entwickelten sich in der frühen und mittleren Nasca-Zeit (0–450 n. Chr.) zur vollen Blüte. Nach der Nasca-Zeit (600 n. Chr.) wurden keine Geoglyphen mehr hergestellt.

Die Ausgrabung von kleinen Gebäuden auf den Hochflächen brachte neue Ergebnisse zur Frage der Funktion der Geoglyphen: In den Steinbauten, die als Teile der Geoglyphen angesehen werden können, fanden sich Opfergaben, die offenbar im Zusammenhang mit Wasser- und Fruchtbarkeitskulten niedergelegt wurden. Zusammen mit Pfostensetzungen, die ebenfalls erstmals bei den Scharrbildern entdeckt wurden, bildeten Geoglyphen, Tempel und Sichtmarken eine Rituallandschaft für Wasser- und Fruchtbarkeitskulte, die als die eigentlichen heiligen Plätze der Nasca-Bevölkerung angesehen werden können.

Ergebnisse gegliedert nach Kulturstufen:

Initialzeit

An dem Fundort Pernil Alto, am rechten Talrand des Rio Grande, konnten Siedlungsbefunde der Initialzeit und der frühen und mittleren Paracas-Zeit nachgewiesen werden. Neuste Datierungen von Befunden aus den frühen Siedlungsschichten reichen sogar in die Archaik (3800–3000 v. Chr.)!

Pernil Alto erstreckt sich an den Talhängen des Rio Grande und in ein Trockental hinein. Bei Magnetometermessungen waren hier große, rechteckige Strukturen und Siedlungsreste nachgewiesen worden, die auf eine ausgedehnte Siedlung hindeuteten. Die topographische Vermessung des Fundortes auf einer Fläche von etwa 200 x 200 Metern bestätigte dieses Ergebnis: der detaillierte Vermessungsplan zeigt deutlich, dass die bei vorangegangenen Testgrabungen identifizierten Siedlungsreste bzw. Gebäude zu einer Siedlung mit weitläufigen Terrassenanlagen gehören. Die Grabungen in 2004 und 2005 konzentrierten sich auf die Freilegung eines zusammenhängenden Gebäudekomplexes am Fuß des Talhanges, der weitgehend den Magnetometerbefund widerspiegelt (Abb. 21.). In dem an den Grabungsbereich angrenzenden Trockental wurden darüber hinaus Testgrabungen vorgenommen, um den Charakter und die Zeitstellung der dortigen Terrassierungen genauer zu bestimmen.

Pernil Alto ist der erste Fundplatz der Initialzeit an der Südküste Perus, der flächenhaft freigelegt wurde. Die Auswertung der Architekturstratigraphie ergab, dass ein etwa 40 x 20 Meter großer Gebäudekomplex aus Lehmmauern und Holzpfosten in fünf Bauphasen kontinuierlich erweitert und modifiziert worden war. Radiokohlenstoffdatierungen aus mehreren Bauphasen datieren die Nutzung der Siedlung in den Zeitraum zwischen 1300 und 900 v. Chr.

Im Grabungsbereich wurden mehrere Bestattungen geborgen. Drei Bestattungen stammen aus Siedlungsschichten, die dem Bau der initialzeitlichen Gebäude vorausgehen. Durch neueste Datierungen konnten sie der Archaik (3800–3000 v. Chr.) zugeordnet werden (siehe Teilprojekt 'Neuere Forschungen in der Region Palpa'). Weitere Bestattungen stammen aus der Frühen Paracas-Zeit (800–700 v. Chr.) und aus der Nasca-Zeit (ca. 400 n. Chr.).

Für die Analyse des initialzeitlichen Fundmaterials gab es bis Projektende nur wenig publiziertes Vergleichsmaterial von der Südküste Perus. Erste Analysen des Fundmaterials ließen jedoch Übereinstimmungen mit charakteristischen Formen des wenigen publizierten Materials aus anderen initialzeitlichen Grabungen in Südperu (Hacha, Disco Verde) feststellen.

Die Terrassierungen in dem an den Grabungsplatz angrenzenden Trockental konnten auf der Basis der mit ihnen vergesellschafteten Keramikfunde der frühen und mittleren Paracas-Zeit (700–500 v. Chr.) zugeordnet werden.

Paracas-Zeit

Erste intensive Flächengrabungen am Fundort Jauranga im mittleren Palpa-Tal erbrachten Siedlungsreste, Gräber und Keramik, die den Fundplatz als Standort einer Paracas-zeitlichen Siedlung mit einfachen Lehmziegelbauten charakterisieren (Abb. 19.). Der Ort war in einem Zeitraum von mindestens 600 v. Chr. bis etwa 200 v. Chr. durchgehend besiedelt. Darauf weist die Analyse des keramischen Fundmaterials hin, das den Stilphasen Ocucaje 5/6 bis 9 (550–200 v. Chr.) zuzuordnen ist. In der Phase Ocucaje 9 wurde die Siedlung aufgelassen und nur noch als Bestattungsplatz weitergenutzt. Insgesamt traten 49 Bestattungen der Paracas-Zeit zu Tage, darunter eine vierkammerige Grabanlage mit Lehmziegelmauern. Weitere 31 Bestattungen wurden in der Nasca-Zeit angelegt.

Jauranga ist als ländliche Siedlung zu charakterisieren, Monumentalarchitektur wurde nicht festgestellt. Dennoch war Jauranga an ein gut funktionierendes Handelsnetz angeschlossen, wie Muschelfunde von der Küste und Obsidian aus dem Hochland der Anden belegen. Seine Lage am Talboden bezeugt die Bedeutung der Talauen für die frühen Siedlungsperioden. Zudem widerlegten die Grabungsergebnisse die bisherige Forschungsmeinung, die der Paracas-Kultur eine Bedeutung als Vorläufer der Nasca-Kultur absprach und von einer Herkunft der Nasca-Kultur von außerhalb des eigentlichen Nasca-Gebietes ausging.

Nasca-Zeit

Der Fundort Los Molinos ließ sich als regionales Zentrum für die frühe Nasca-Zeit (0–250 n. Chr.) identifizieren. In Flächengrabungen wurden zwei große Bereiche mit monumentalen Terrassenanlagen, Höfen, Räumen, Säulenhallen und Korridoren dokumentiert (Abb. 06.). Sie wurden über eine Zeitspanne von etwa 100 Jahren genutzt und nach der Zerstörung durch starke Regenfälle (!) aufgegeben. Nachfolgend wurden die Gebäude als Bestattungsplätze genutzt. Weitere Bestattungen fanden sich in einem nahe gelegenen Gräberfeld. Insgesamt wurden in Los Molinos über 50 Gräber dokumentiert, etwa die Hälfte davon waren ungestört.

In der mittleren Nasca-Zeit (250–450 n. Chr.) wurde das Siedlungszentrum der Region zu dem nahe liegenden Ort La Muña verlagert. Dort konzentrierten sich die Ausgrabungen auf eine Nekropole, deren aufwändige Grabarchitektur aus Lehmziegeln erstmals für die Nasca-Kultur dokumentiert werden konnte (Abb. 09.). Die zentralen Schächte der nach einem festen Baumuster angelegten Grabanlagen waren zwar geplündert, die Grabkonstruktion und zahlreiche unmittelbar nach der Grablegung zu Bruch gegangene, reich verzierte Keramikgefäße und Schmuckstücke aus Stein, Muschel und Gold konnten jedoch geborgen werden und vermitteln einen guten Eindruck von der ehemals reichen Ausstattung der Gräber (Abb. 12., 13., 14.).

Die Konstruktionen der Grabarchitektur auf Geländeniveau waren noch gut erhalten, auch dort fanden sich mit mythischen Wesen reich verzierte Gefäße und Reste von Kulthandlungen (Abb. 30.). Auch La Muña wurde wegen starker Regenfälle aufgegeben. Probegrabungen an zerstörten Gebäuden und in einem Trockental erwiesen, dass starke Niederschläge zu Schlammströmen geführt und Teile der Nekropole und zugehörige Siedlungsbauten bedeckt haben.

Die geomorphologischen Untersuchungen haben gezeigt, dass die Region seit der Paracas-Zeit einem zunehmenden Desertifizierungsprozess ausgesetzt war. Andererseits kam es gelegentlich aufgrund von Klimaunregelmäßigkeiten in großen zeitlichen Abständen zu lokalen Niederschlagsereignissen, die zu erheblichen Beschädigungen der Lehmziegelbauten in den Nasca-Siedlungen führen konnten. Nachhaltigen Einfluss auf die Siedlungsentwicklung hatte jedoch in erster Linie die zunehmende Trockenheit, durch die der landwirtschaftlich orientierten Nasca-Kultur die Lebensgrundlage entzogen wurde. Somit ist anzunehmen, dass Klimaunregelmäßigkeiten und gelegentliche Niederschlagsereignisse in einer Phase extremer Trockenheit am Ende der Nasca-Zeit zu einer Destabilisierung der Nasca-Kultur führten und schließlich zu deren Niedergang beitrugen. Die Ergebnisse der geomorphologischen Untersuchungen haben dieses Bild der Landschafts- und Klimageschichte im Nasca-Gebiet bestätigt.

Auf der Grundlage der erzielten Ergebnisse konnte ein recht detailliertes Bild der Kulturentwicklung im Palpa-Tal entworfen werden. Wasserkulte spielten offensichtlich eine zentrale Rolle bei der Anlage der Bodenzeichnungen. Es wurde deutlich, dass die Träger der Nasca-Kultur in einer komplexen Gesellschaft mit fest etablierten sozialen Normen und Kontrollmechanismen lebten. Dieser hohe Entwicklungsstand erklärt die Produktion des äußerst qualitätsvollen Kunsthandwerkes und macht die offenbar geplante Anlage von Geoglyphen als Teil gemeinschaftlicher religiöser Kulte verständlich.

Eines der Ziele des Projektes Nasca-Palpa war es, eine möglichst lückenlose Abfolge der Kulturstufen im Raum Palpa zu dokumentieren. Dazu wurden von archäologischer Seite die notwendigen Befunde zur Stratigraphie aus Siedlungsgrabungen geliefert. Eine der Zeitphasen – die späte Nasca-Zeit (450–650 n. Chr.) – war durch Grabungen in den Nasca-zeitlichen Siedlungen Los Molinos und La Muña bisher noch nicht dokumentiert. Aus diesem Grund wurde in der Feldkampagne 2006 der Fundort Parasmarca (siehe Teilprojekt 'Neuere Forschungen in der Region Palpa') im mittleren Rio Grande-Tal für intensivere Untersuchungen ausgewählt.

Späte Zwischenperiode

Der Fundplatz Chillo liegt am rechten Talhang des Rio Grande, etwa 4 km von Jauranga entfernt. Reste einer Siedlung, die sich nach Oberflächenfunden in die Späte Zwischenperiode (1000-1400 n. Chr.) datieren lässt, ziehen sich in etwa 100 Metern Höhe über dem Talboden an den Hängen entlang. Tiefer liegende Trockentäler wurden offenbar für die Entsorgung von Müll, aber auch zur Anlage einzelner Gebäude genutzt. In einem dieser Trockentäler ist durch Verfüllung und spätere Erosion ein etwa 6 Meter hohes Profil entstanden (Abb. 15.). Die Dokumentation und kontrollierte Ausgrabung dieser stratifizierten Abfallschichten mit reichhaltigem Fundmaterial bot die Möglichkeit, eine große Menge an Funden der bisher kaum erforschten Späten Zwischenperiode zu bergen.

Die Ausgrabung erbrachte Hinweise auf eine lang andauernde Nutzung (Terrassierungsmauern, Böden, Nivellierungsschichten) mit dazwischen liegenden Schwemmschichten. Die geborgene Keramik mit hohem Anteil an Feinkeramik ermöglichte erstmals eine ausführliche Charakterisierung der Keramik dieser Periode im Nasca-Gebiet. Erste Radiokarbondatierungen weisen darauf hin, dass an dieser Stelle über mindestens 200 Jahre lang Siedlungsabfälle angehäuft wurden.