Ergebnisse
Das Projekt hat Ergebnisse zu allen Epochen der Menschheitsgeschichte erbracht. Vorgestellt werden hier nur die wichtigsten Fundplätze. Das Altpaläolithikum repräsentieren umfangreiche Konzentrationen von Acheuléen-Artefakten im Mündungsbereich des Oued Kert nahe der Mittelmeerküste. Eine sehr weitläufige Fundstelle liegt in einer flächigen Erosion, hier konnten Hunderte von Artefakten aufgesammelt werden, die überwiegend einer sehr archaisch erscheinenden Fazies des Acheuléen anzugehören scheinen. Ein anderer Platz, I'Ammorene I, liegt südlich davon an einer Quelle und ist eher an das Ende des Acheuléen zu datieren. Hier finden sich sehr fein gearbeitete Faustkeile von dünnem Querschnitt. Alle Artefakte bestehen aus örtlichen vulkanischen Gesteinen, lediglich ein - möglicherweise ortsfremdes - Hachereau besteht aus Silex. Die Acheuléen-Fundstellen von I'Ammorene sind Gegenstand einer zukünftigen Dissertationsschrift der Universität Tübingen.
Die mittlere Altsteinzeit konnte vor allem in einer ausgedehnten Abri-Grabung erfasst werden. Das Abri Ifri n'Ammar, malerisch in den Rif-Ausläufern an einem Verbindungsweg zur Moulouya gelegen, wurde in sechs Grabungskampagnen seit 1997 erforscht. Die Grabung ist vorläufig abgeschlossen. Insgesamt ergab sich eine fast 7 Meter messende Stratigraphie, deren untere Hälfte dem Mittelpaläolithikum angehört. Den oberen Abschluss der Sequenz bildet eine fundreiche Atérien-Schicht mit zahlreichen Stielspitzen, gefolgt von einer Schicht mit Moustérien-Charakter. Diese liegt auf mehreren Caliche-Schichten, Kalkkrusten, die die Fläche völlig versiegeln. Darunter fand sich wiederum charakteristisches Atérien, darunter bis zum Felsuntergrund Moustérien. Der obere Abschluss dieser Sequenz ist AMS-datiert auf 40 000 bis 50 000. Der tiefere Bereich wurde inzwischen thermolumineszenzdatiert (an verbranntem Silex, MPA-EVA Leipzig). Eine kleine Serie vorläufiger Daten reicht in stratigraphischer Abfolge von 60000 bis 130000/140000 (unteres Atérien), wobei der unterste halbe Meter noch nicht datiert wurde. Damit ist Ifri n'Ammar der mit weitem Abstand älteste Atérien-Fundplatz Nordafrikas. Auch reines Moustérien wurde an keiner anderen Stelle vergleichbar alt datiert, zumal Hinweise auf ein Moustérien mit Acheul-Traditionen (M.T.A.) fehlen. Insgesamt sind 40 Proben in Bearbeitung, von denen man nun ein völlig neues Bild des nordafrikanischen Mittelpaläolithikums erwarten kann.
Über den mittelpaläolithischen Schichten liegen in Ifri n'Ammar mehrere Meter Ibéromaurusien. Zum Teil handelt es sich um eine Escargotière, ein zu Teilen aus Gehäusen verzehrter Landschnecken aufgebautes Sediment, das außerordentlich fundreich ist. Das Ibéromaurusien der Ifri n'Ammar und zwei weiterer Fundstellen, Ifri el-Baroud und Hassi Oenzga Plein Air, datiert zwischen 18000 und 7500 v.Chr., eine jüngst erschlossene Stratigraphie im Küstenbereich (vgl. Projekt "Marokkanisches Küstenneolithikum") scheint nun die Lücke zwischen Spät-Ibéromaurusien und Frühneolithikum zu schließen (Mitte 7. bzw. frühes 6. Jahrtausend v.Chr.).
Während des Ibéromaurusiens war das Arbeitsgebiet offenbar dicht besiedelt. Fast alle Höhlen und Abris des Raumes weisen Schichten aus dieser Epoche auf, und kleinere Jagdlager reichen bis hoch in die montane Zone des Rif. An den bedeutenden Fundplätzen wie Ifri n'Ammar scheint es zumindest zu Vorformen der Sesshaftigkeit gekommen zu sein, denn die räumliche Aufteilung des Abris in Werkstatt-, Lebens- und Bestattungsbereich bleibt über einen langen Zeitraum erhalten. Im Ibéromaurusien der Ammar sind zudem die ältesten Malereispuren Nordafrikas gesichert. Sie wurden bereits zwischen dem 13. und dem 10. Jahrtausend durch Kulturschichten versiegelt. Im Bereich der Malereispuren fanden sich mehrere Bestattungen, meist von Kleinkindern, in einem Falle allerdings von einem erwachsenen Mann. Die Menschenreste werden gegenwärtig auf ihre DNA untersucht. Die Steinindustrie des Ibéromaurusien basiert auf Lamellen, besonders häufig sind Rückenspitzen, die zu Kompositgeräten verarbeitet wurden. Daneben erscheint eine reiche Knochenindustrie, Schmuck aus marinen Muscheln, Fossilien und eine Reihe verzierter Objekte aus Knochen.
Im anschließenden Neolithikum ist der Lebensraum stark eingeschränkt, nur wenige Fundplätze in der Nähe von Quellen gehören dieser Epoche an. Einer davon, das kleine Abri von Hassi Ouenzga (die "Gazellenquelle"), erbrachte eine bedeutende Stratigraphie, deren älteste Schicht noch vor der Mitte des 6. vorchristlichen Jahrtausends liegt. Auf sehr engem Raum konnten hier Schichten des Alt- und Mittelneolithikums gesichert werden. Vereinzelte Scherben bezeugen ferner die Anwesenheit der Glockenbecherkultur. Die bereits sehr hohen Daten der ältesten Schicht werden inzwischen von neu entdeckten Fundplätzen des Küstenbereichs deutlich übertroffen und weisen dem östlichen Rif eine bedeutende Rolle bei der Neolithisierung des Maghreb zu (vgl. Projekt "Marokkanisches Küsten-Neolithikum"). Das Altneolithikum des Arbeitsraumes zeigt sehr weiträumige Beziehungen von der Meerenge bis in das algerische Oranais, der zumindest überwiegend auf Jagd basierende wirtschaftliche Hintergrund der altneolithischen Bewohner hat offensichtlich zu großer Mobilität beigetragen.
Das umfassende Bild der steinzeitlichen Entwicklung, das im Rahmen des Projekts gewonnen werden konnte, lässt sich leider nicht auf die anschließende "Protohistoire" übertragen, d.h. auf die nachsteinzeitlichen Perioden bis zur Antike bzw. Islamisierung. Zwar konnten mehrere hundert Grabhügel unterschiedlicher Größe und Form kartiert werden, jedoch fehlen die Siedlungen dieser Zeit. Mehrere Grabhügel wurden ausgegraben und lieferten interessante Ergebnisse zum Grabritus und zum Hügelaufbau, jedoch kaum je eine Beigabe. Die meisten Hügel sind beraubt und nachträglich wieder instandgesetzt. Die Siedlungen der Protohistoire sind ohne Zweifel ephemer und entsprechen der wohl überwiegend nomadischen Lebensweise der nachneolithischen Bevölkerung. Wahrscheinlich liegen Formen von Almwirtschaft vor, denn in der montanen Zone finden sich häufig Bauten in Trockenmauerwerk, manchmal in Verbindung mit Grabhügel, in der Regel jedoch ohne Sediment und Funde. Im Küstenbereich finden sich gelegentlich Felskammergräber nicht näher präzisierbarer Zeitstellung.
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