Forschung
Forschungsgeschichte
Die Ruinenstätte von Munigua ist spätestens seit dem Jahr 1556 bekannt, da Ambrosio de Morales, der Geschichtsschreiber Philipps II. im Rahmen seiner Vorarbeiten zur Cronica General de España (Las Antigüedades de las Ciudades de España, Alcalá de Henares 1575) in einem Briefwechsel mit seinem Korrespondenten in Sevilla, dem gelehrten Dominikanerpater Alonso Chacón, bemerkt: „espero [las inscripciones] de Mulva…“ (ich erwarte die Übersendung der Inschriften aus Mulva…). Wie die Sprachgeschichtler festgestellt haben, ist Mulva die im Laufe der Zeit veränderte Form von Munigua. Aus der Bemerkung des Ambrosio folgt, daß Chacón in Munigua selbst gewesen und die dort sichtbaren Inschriften mit dem Namen des Ortes, die auf Sockeln für Kaiserstatuen aufgebracht waren, gelesen und verstanden haben muß; denn zweihundert Jahre später werden eben diese Sockel von Mitgliedern der kurz zuvor in Sevilla neugegründeten Academia de las Buenas Letras erneut gefunden und gelesen: : municipium flavium muniguense, was in Munigua aufzulösen ist, ein Name der offenbar der iberischen Sprache zugehört. Sebastián Antonio de Cortés und José de las Cuentas Zayas veröffentlichen den entsprechenden Bericht im März 1757 – und ziehen damit den Zorn des zuständigen Gouverneurs von Lora del Río auf sich, Tomás de Gusseme, der offenbar ebenfalls von der Ruine Kenntnis hatte, den Platz aufsucht, noch im selben Jahr ebenfalls einen Bericht verfaßt und seinerseits vermittels Anfertigung einer Zeichnung Zeugnis von seinem Besuch gibt. Als der wissenschaftliche Entdecker kann jedoch mit gutem Grund Alonso Chacón gelten, der später an den Vatikan berufen wurde und al s Bischof von Alexandria starb. Während des 19. Jahrhunderts zieht Munigua das Interesse der Wissenschaft nicht auf sich. Erst im Jahre 1922 stellt der französische Archäologe und spätere Gründungsdirektor der französischen Hohen Schule für hispanistische Studien in Madrid (Casa de Velázquez) Pierre Paris, einen Grabungsantrag für Munigua und andere römische Städte, der von den spanischen Behörden bewilligt wird. Da es Paris aber nicht gelingt eine Mannschaft zusammen zu bringen, kommt die Unternehmung nicht zustande. Alle diese Ansätze der Forschung seit dem 16. Jhdt. zeichnen sich dadurch aus, daß es sich um einmalige Aktionen handelt. Weder einer der spanischen noch einer der französischen Forscher sind nach dem ersten Besuch je wieder nach Munigua zurückgekehrt. Eine Kontinuität stellt sich erst mit den Forschungsarbeiten der Gelehrten des Deutschen Archäologischen Instituts in Madrid ein, die im Jahre 1956 auf Anraten des Obersten Denkmalpflegers von Andalusien, Félix Hernández Giménez, der an der TU Berlin studiert hatte, ihr Interesse dem Fundplatz zuwenden, einen ersten Plan zeichnen und sogleich das Forschungspotential bemerken. Seither lassen sich drei Forschungsetappen fassen. In der ersten von 1956 bis 1977 galt die Aufmerksamkeit vornehmlich der Freilegung der Bauten auf dem Stadthügel sowie der Untersuchung des monumentalen Terrassen-Heiligtums. Daneben wurde die Ostnekropole erforscht. In der zweiten Etappe bis 1996 dagegen stand das Thema der Wohnbebauung im Vordergrund. In dieser Zeit wurden die Stadtvillen ausgegraben. Die dritte Etappe von 1999 bis 2011 hatte die Erkundung der wirtschaftlichen Grundlagen der Stadt zum Ziele. Derzeit wird versucht die Stadt durch neue Grabungen im südlichen Randbereich des Stadtgebiets besser verstehen zu können.
Forschungsziele
Im Vergleich mit den vielen Römerstädten Hispaniens besitzt Munigua einen besonderen Charakter, der von Anfang an deutlich war und als dessen Sinnbild das stadtbeherrschende Terrassen-Heiligtum gelten kann, eines der wenigen dieses Typs außerhalb von Lazium/Italien. Dieses erscheint überproportioniert im Verhältnis zur geringen Größe der Stadt von nur 3,8 ha. Hinzukommt ihre Lage abseits des Guadalquivir-Tales, ihr fehlendes orthogonales Straßensystem, die Art der Stadtbefestigung im Verein mit der Existenz einer Nekropole innerhalb der Mauern, die mögliche Verbindung zur Familie Aelius, als deren berühmtester Sproß der Kaiser Hadrian gelten kann und anderes mehr. Die Forschung bemüht sich darum, die Gründe für diese Besonderheiten zu verstehen und eine synthetische Sicht der gesamten Stadt zu gewinnen.
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