Abydos Umm el-Qaab

© E. C. Köhler // E. C. Köhler

Forschung

Die Nekropole wurde bereits im ausgehenden 19. und frühen 20. Jh. von britischen und französischen Archäologen untersucht, vor allem von E. Amélineau und W.M.F. Petrie, die schon früh die historische Bedeutung dieses Fundorts erkannt hatten. Das Deutsche Archäologische Institut Abteilung Kairo arbeitet hier seit 1977, zunächst unter der Leitung von W. Kaiser. 1989–2013 war G. Dreyer langjähriger Grabungsleiter, und Anfang 2014 hat E. C. Köhler die Weiterführung des Projekts in Kooperation zwischen dem DAI und der Universität Wien übernommen.

Gemessen an der archäologischen, historischen und religiösen Bedeutung des Fundorts und seiner über mehrere Tausend Jahre verlaufenden Nutzungsgeschichte, gibt es eine ganze Reihe von Forschungsfragen, dem das DAI seit Jahrzehnten nachgeht. Sie lassen sich in verschiedene thematische Komplexe einteilen. Einer dieser betrifft die Entstehung der ägyptischen Zivilisation, des pharaonischen Staats und des altägyptischen Königtums. Ein weiterer Komplex ist die Chronologie des Fundorts im 4. und frühen 3. vorchristlichen Jt., und zwar in Bezug auf die historische, absolute und relative Datierung des archäologischen Materials aus Umm el-Qa‘ab. Dabei stellt sich die Frage, wie sich dieses Material für die Chronologie des ägyptischen Niltals allgemein nutzen lässt. Ebenso wichtig sind der Fragenkomplex der materiellen Kultur dieser Zeitspanne und die sich daraus ergebenden Einblicke in die industrielle Produktion von Gütern sowie in Warenströme, Austausch und Handel, Konsumverhalten, externe Kontakte und das allgemeine Wirtschafts- und Verwaltungssystem.

Alle Gräber werden erneut ausgegraben, gänzlich freigelegt, detailliert dokumentiert und, soweit erforderlich, strukturell gesichert. Die Umgebung der Gräber und bisher nicht erfasste Bereiche der Nekropole werden von Schuttüberlagerungen gereinigt, um evtl. übersehene Gräber, Deponierungen sowie Spuren von Kultaktivitäten festzustellen. Sowohl die Füllung der Gräber als auch die Schutthalden werden durchgesiebt, um darin enthaltene Bestandteile der Grabausstattungen zu bergen. Zur Gewinnung von möglichst vollständigen Inventarübersichten werden die über viele Museen verteilten Funde aus den früheren Grabungen erfasst und neu dokumentiert. Da bei den früheren Ausgrabungen nur (häufig unzuverlässige bzw. unvollständige) Massenpläne erstellt wurden, werden die Gräber erneut freigelegt, gereinigt, detailliert aufgenommen und präzise vermessen. Bei der Bauaufnahme wird besonders auf Indizien für verschiedene Bauphasen geachtet, aus denen sich häufig Anhaltspunkte für die Interpretation und Rekonstruktion ergeben. Fotogrammetrische und digitale Technologien spielen hierbei eine immer größere Rolle.

Bei den älteren Grabungen sind offenbar nur die Grabanlagen selbst freigelegt worden, Untersuchungen der Umgebung fanden nicht statt. Infolgedessen sind insbesondere im prädynastischen Friedhof U zahlreiche Gräber und bei den späteren Grabkomplexen einzelne Kammern übersehen worden. Außerdem sind seit der Antike durch Grabräuber sowie durch bauliche und rituelle Aktivitäten während des Mittleren Reichs zahlreiche Objekte aus den Kammern in die engere und weitere Umgebung gelangt. Die Hauptmenge der Beigaben findet sich daher weit verstreut in den bis zu fünf Meter hoch anstehenden Schutthalden, die allesamt mit erheblichem Aufwand durchgesiebt werden müssen. Durch die Kartierung der Fundverteilung, insbesondere der beschrifteten Stücke und der Keramik, wird die Zuordnung der einzelnen Fundgruppen erschlossen.

Die Funde werden mit technischen Zeichnungen, Fotografien und verbalen Beschreibungen dokumentiert, katalogisiert und, wo erforderlich und möglich, rekonstruiert. Dabei spielen moderne fotogrammetrische Methoden heute eine große Rolle. Parallel zur Feldarbeit in Umm el-Qa’ab werden die in alle Welt verstreuten Funde aus den früheren Ausgrabungen in einer Datenbank aufgenommen und die Fragmente anhand von Zeichnungen und Fotos mit den neuen Funden auf zusammengehörige Anschlusstücke (joins) abgeglichen.

Dementsprechend komplex und vielschichtig sind die Forschungsziele des Abydos-Projekts. Zu ihnen zählen derzeit:

 

 

 

Wie keine andere Denkmalgruppe spiegeln die Gräber der frühen Herrscher und Könige mit ihrer Architektur und Ausstattung den jeweiligen Entwicklungsstand der Gesellschaft und ihre religiösen Vorstellungen wider, zugleich sind sie eine der wichtigsten Quellen für die Chronologie der Frühzeit.

Ein Hauptanliegen ist das Verständnis der baugeschichtlichen Entwicklung vom einfachen Grubengrab zur frühen Monumentalarchitektur und den Pyramiden. In der Abfolge der Entwicklung und im Vergleich der ganz unterschiedlichen Grabanlagen werden die Ideen von der Rolle der Herrscher und der Fortsetzung des diesseitigen Lebens im Jenseits deutlich.

 

Den zweiten Schwerpunkt bildet die möglichst vollständige Erfassung des noch erhaltenen Inventars zur Rekonstruktion der ursprünglichen Ausstattung. Von besonderer Bedeutung ist die Bearbeitung der Funde zur Erstellung eines umfassenden Korpus der materiellen Kultur, vor allem der Keramik. Dieser kann u.a. als Grundlage für die Datierung an anderen gleichzeitigen Fundorten dienen. Zum anderen ist die Auswertung des umfangreichen inschriftlichen Materials, wie z. B. Siegelabrollungen, Anhängetäfelchen, Gefäßaufschriften und Stelen als Quelle für die Chronologie, die Entwicklung der Schrift und der Verwaltungsstruktur wichtig.

 

8-6 AbydosPlan.jpg
Lageplan des zentralen Bereichs der achäologischen Stätte von Abydos. Bereich mit prä- und frühdynastischen archäologischen Überresten. © Universität Wien // E. C. Köhler
Blick vom Deutschen Haus nach UQ.JPG
Blick vom Deutschen Haus nach Westen, in der Bildmitte befindet sich die frühzeitliche Königsnekropole von Umm el-Qaab © DAI Kairo // E. C. Köhler
Hauptkammer Grab des Den mit tlw Rekonstruktion.JPG
Grab des Dewen, teilrekonstruierte Hauptkammer, Blick nach Westen © DAI Kairo // E. C. Köhler
Meret-Neith Weinkrug.jpg
Weinkrug der Meret-Neith © DAI Kairo // E. C. Köhler
P1040407.JPG
Blick von Umm el-Qaab zum Wadi, das eine natürliche Verbindung zwischen dder Niederwüste und westlichen Wüstengebirgen bildet © DAI Kairo // E. C. Köhler
P1040411.JPG
© E. C. Köhler // E. C. Köhler
P1040537.JPG
Umm el-Qaab, Übersicht nach Südwesten © DAI Kairo // E. C. Köhler