Forschung
Kultpraxis
Obwohl in den 1960er bis 1980er Jahren mehrere hellenistische Heiligtümer in Baktrien ausgegraben wurden, blieben mehrere Kernfragen offen: Wurden in der Folge der Kolonisation im hellenistischen Fernen Osten Rituale nach griechischen Mustern praktiziert (Stichworte: Kultbild im Tempel – Altar vor dem Tempel, Tieropfer, Libationen)? Lassen sich Praktiken nachweisen, die von griechischen Gebräuchen abwichen und deshalb auf einheimischen Traditionen beruhen dürften? Oder wurden nur einzelne griechische Gebräuche übernommen, wie beispielsweise die symbolische Reinigung am Perirrhanterion, während andere Rituale nach einheimischen Traditionen ausgeführt wurden? Wurden griechische und einheimische Kulte neben- oder sogar miteinander praktiziert? Und wie wirkten sich die in der Mitte des 2. Jhs. v. Chr. einsetzenden Invasionen nomadischer Völker (Saka und Yuezhi) und der damit verbundene soziokulturelle Wandel auf das Heiligtum in Torbulok aus?
Die Ausgrabungen zielten also auf Befunde, die Aufschluss über die Kultpraxis geben, wie z.B. Altäre, Kulttische und andere Installationen, Deponierungen von Kultgeschirr oder Knochen der Opfertiere. Diese Befunde und Relikte wurden unter Hinzuziehung naturwissenschaftlicher Analysen (Geologie, Archäozoologie, Archäobotanik) untersucht.
Ausgrabungen
Die archäologischen Arbeiten in Torbulok umfassten vor allem Ausgrabungen, mit denen nicht nur die Stratigraphie und damit die Zeitstellung und Geschichte des Heiligtums ermittelt, sondern auch Aufschlüsse über die architektonische Gestaltung des Komplexes gewonnen wurden. Die Grabungen wurden seit dem Frühjahr 2014 in jeweils zweimonatigen Kampagnen durchgeführt. Die Grabungsflächen wurden auf Grundlage einer im Herbst 2013 durchgeführten geophysikalischen Prospektion gewählt, mit der das Umfeld der als Fundort des Steinbeckens ausgewiesenen Schule untersucht worden war. Die geophysikalischen Messungen wurden von PD Dr. Jörg Fassbinder und Dr. Roland Linck (Ludwig-Maximilians-Universität München, Geo- und Umweltwissenschaften, Sektion Geophysik) durchgeführt. Neben den genannten Arbeiten wurde in Zusammenarbeit mit Geomorphologen der Humboldt-Universität unter der Leitung von Dr. Mohsen Makki ein Geländesurvey durchgeführt, der ein umliegendes Gebiet von 20 x 20 km umfasste.
Charakter und Funktion des Heiligtums
Die heute ungünstige Lage Torbuloks in einem trockenen Tal ruft auch Fragen nach dem antiken Landschafts- und Siedlungsraum hervor. Ist die Lage des Heiligtums möglicherweise durch einen überregionalen Verbindungsweg motiviert? War das Heiligtum in eine antike, am selben Ort befindliche Siedlung eingebunden? Oder war es ein extraurbanes Heiligtum, das zur antiken Siedlung in Dangara gehörte, dem heutigen urbanen Zentrum der Region?
Forschungsgeschichte
Das 2013 begonnene Forschungsprojekt bildet die erste umfangreiche archäologische Untersuchung in Torbulok. Der Fundort war bereits 1984 auf der archäologischen Landkarte aufgetaucht, nachdem Evgenij Denisov Sondagen in der damals als Čaltov bezeichneten Ortschaft durchgeführt hatte. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen blieben jedoch unpubliziert. Für die Erstellung eines archäologischen Katasters des Bezirks Dangara wurde Torbulok/Čaltov erneut 2009 von Archäologen aufgesucht. Dabei wurde Tatjana Filimonova auf das ein Jahr zuvor bei Bauarbeiten entdeckte große Kalksteinbecken aufmerksam, das in die Sammlung des Nationalmuseums der Antike nach Duschanbe verbracht wurde.
Mehrere Säulenbasen zeugen davon, dass am Fundort ehemals eine monumentale Architektur gestanden haben muss - ein Tempel? Außerdem befinden sich im "Museum" der örtlichen Schule zahlreiche hellenistische Funde, unter anderem solche Miniaturaltäre, wie sie auch bei den jüngsten Ausgrabungen in situ entdeckt wurden.
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