An der Schwelle Eurasiens: Ein populationsgenetisches Transekt durch den Kaukasus

© DAI Eurasien-Abteilung // Sabine Reinhold

Ergebnisse

Erste Ergebnisse zeigen ein sehr komplexes Bild der Bevölkerungsentwicklung im Nordkaukasus. Es wird die kulturellen Verflechtungen dieser Region um überraschend neue Verbindungen ergänzen.

Die paläogenetischen Untersuchungen zeigen ein differenzierteres Bild der Mobilität in der Bronzezeit. Bereits in der Kupferzeit des 5. Jahrtausend v. Chr. kamen Menschen aus dem Süden über den Kamm des Kaukasus in den Norden. Sie bildeten offenbar auch die Grundlage für die frühbronzezeitliche Majkop-Kultur im 4. Jahrtausend v. Chr. Die mit dieser Kultur verbundenen Menschen unterscheiden sich genetisch klar von den Bevölkerungen aus dem nördlich anschließenden Steppenbereich.

Im Erbgut der Jamnaja-Individuen aus der Vorkaukasus-Steppe finden sich zwar ebenfalls Spuren die charakteristisch für die benachbarten neolithischen Bevölkerungsgruppen Südosteuropas sind. Detailanalysen zeigen nun, dass der Genfluss, der zu diesen Anteilen bei den kaukasischen Individuen geführt hat, nicht in Verbindung zur Majkop-Bevölkerung zu bringen ist, sondern aus den westlich angrenzenden Regionen Europas stammen muss. Mit diesem Befund wird deutlich, dass die Steppenzone lange vor der massiven Ausbreitung der Jamnaja und verwandter Gruppen bis an den Atlantik ein eng verbundener Interaktionsraum war. Die technischen Innovationen des 4. Jahrtausend v. Chr. zirkulierten in einem Netzwerk, in dem Menschen wie Ideen ausgetauscht wurden – und dies nicht nur in eine Richtung. So finden sich in Individuen aus den trockenen Steppengebieten im Nordosten Hinweise auf genetische Einflüsse, die tiefe Wurzeln in Sibirien haben und dadurch auch in genetischer Verwandtschaft mit Nordostasiaten und indigenen Bevölkerungen Amerikas stehen.

Ein weiteres Ergebniss der ersten Projketphase war die Identifikation eines Individuums aus Rasshevatskij 1, bei dem eine frühe Form des Pest Erreger Yersinia Pestis identifiziert wurde. Dieses Individuum, das kulturell zum Jamnaja Phänomen zu rechnen ist, ist der bislang älteste belegte Fall dieser tödlichen Krankheit. Die nordkaukasische Steppenzone , in der der Fundort liegt, scheint also zum Ausgangsgebiet der frühen Pesterreger zu gehören. Von hier aus breiteten sie sich im frühen 3. Jahrtausend v.Chr. nach Europa aber gleichzeitig auch nach Westsibirien bis in den Altai aus. Möglicherweise verbirgt sich in dessen Ausbreitung nach Westen die Grundlage für die Neubesiedlung Osteuropas mit Bevölkerungsgruppen aus der Steppenzone. Wurde der östliche Rand Europas von einer frühen Epidemie entvölkert, wäre das neue genetische Make-Up spätneolithischer Gruppen wie der Schnurkeramik kein so großes Mysterium mehr.

Eine weitere Studie eröffnet einen Einblick in den Wandel von Krankheiten über Jahrtausende und in verschiedenen menschlichen kulturellen Umfeldern. Es konnte das Erbgut des Erregers Salmonella enterica aus den Zähnen der menschlichen Überreste gewonnen werden, darunter aus einem Grab der frühbronzezeitlichen Maikop-Kultur. Sie datiert ins späte 4. Jahrtausend v. Chr.. Der Fund in den Zähnen legt nahe, dass die Personen an einer systemischen Salmonellen Infektion zum Zeitpunkt ihres Todes litten. Salmonellen Infektionen zählen heute zu den am meisten verbreiteten Infektionskrankreiten. Die frühen Erreger waren aber wahrscheinlich noch nicht an den Menschen angepasst und infizierten Tiere sowie Menschen. Dennoch müssen auch diese frühen Salmonella enterica Formen als Zoonosen auf den Menschen übergesprungen sein. Vermutlich spielgen sie die Intensivierung der Viehwirtschaft zu dieser Zeit.