Die Besiedlung der nördlichen Badia (Nordostjordanien) im Spätchalkolithikum und der Frühbronzezeit. Ein Beitrag zur archäologischen Siedlungsgeographie in ariden Regionen Vorderasiens

© Photograph by R. Bewley, courtesy of APAAME // R. Bewley

Forschung

Das Projekt verbindet Oberflächenuntersuchungen (Surveys) mit kleinräumigen Grabungen und Sondagen. Im Rahmen der Surveys werden die Ausdehnungen der Fundorte, die unterschiedlichen Aktivitätsbereiche sowie die oberflächlich sichtbare Architektur dokumentiert. Kleinräumige Grabungen in den Gebäuden dienen der Dokumentation der Bauweise, einer möglichen gebäudeinternen Stratigraphie und vor allem der Gewinnung von stratifizierten Kleinfunden und organischen Proben zur Datierung der Siedlungsaktivitäten. Sondagen werden vor allem außerhalb der Gebäude, in Bereichen innerhalb der Siedlung und in Gärten vorgenommen, um Sedimentproben für sedimentologische Analysen zu gewinnen (z.B. Bestimmung der mineralischen Zusammensetzung, Korngrößen, pH-Wert, Phosphatgehalt, Salzgehalt, Phytolithengehalt). Anhand der Daten lassen sich Aussagen über die Aktivitäten in diesen Bereichen treffen, wie z.B. Viehhaltung und Anbau bestimmter Kulturpflanzen.

Das Projekt „Die Besiedlung der nördlichen Badia (Nordostjordanien) im Spätchalkolithikum und der Frühbronzezeit. Ein Beitrag zur archäologischen Siedlungsgeographie in ariden Regionen Vorderasiens“ basiert auf den Ergebnissen des Vorgängerprojektes „Aride Lebensräume im 5. bis frühen 3. Jahrtausend v. Chr.: Mobile Subsistenz, Kommunikation und Ressourcennutzung in der Nördlichen Badia (Nordostjordanien)“ (DFG MU-3075/1-1 und 1-2), dessen chronologischer Fokus auf dem Zeitraum zwischen dem Spätchalkolithikum und der ersten Hälfte der Frühbronzezeit (späte 5. Jt. v. Chr. bis frühe 3. Jt. v. Chr.) lag. Die Ziele dieses Projektes fokussieren sich vor allem auf die Identifizierung und Charakterisierung von Hinweisen sozioökonomischer Aktivitäten aus diesem Zeitraum. Hierzu zählen z.B. Formen der Land- und Ressourcennutzung sowie Hinweise auf Siedlungsaktivitäten. Zu den durch mehrere Surveys in der Basaltwüste und der östlich anschließenden Kalksteinwüste identifizierten soziökonomischen Aktivitäten zählen Feuersteinbergbau mit angeschlossener exportorientierter Geräteindustrie, Viehnomadismus sowie Landwirtschaft mit künstlicher Bewässerung. Von besonderer Bedeutung ist darüber hinaus die Entdeckung der zwei befestigten und ganzjährig besiedelten spätchalkolithisch / frühbronzezeitlichen Höhensiedlungen Khirbet Abu al-Husayn und Tulul al-Ghusein in der Basaltwüste und gaben schließlich den Anlass für die Initiierung des jetzigen Projektes.

Darüber hinaus ermöglichten die Surveyergebnisse die Erstellung einer Chronologie der menschlichen Aktivitäten in dieser Region. Der Zeithorizont umfasst die Perioden des Altpaläolithikums, Mittelpaläolithikums, des Jung- und Epipaläolithikums, des Neolithikums (PPNA, PPNB und Spätneolithikum) und des Chalkolithikums bzw. den Beginn der Frühbronzezeit. Funde, die in den Zeitraum von der zweiten Hälfte der Frühbronzezeit bis zum Ende der Eisenzeit datieren, sind hingegen nicht identifiziert worden. Diese Tatsache weist darauf hin, dass es während dieses Zeitraums zu einer weitgehenden Unterbrechung der Nutzung dieser Region gekommen ist. Spätere Aktivitäten in der Nördlichen Badia, bei denen es sich vornehmlich um viehnomadische Aktivitäten handelte, datieren erst wieder in die römisch-byzantinische Zeit und in die nachfolgenden islamischen Perioden.

Die beiden Höhensiedlungen Khirbet Abu al-Husayn und Tulul al-Ghusein waren allem Anschein nach ganzjährig bewohnte Orte. Hierauf verweisen die Befestigungen, deren (defensiv)strategischer Vorteil nur durch die ständige Anwesenheit der bzw. einiger Bewohner langfristig erhalten werden konnte. Damit kann die aride Basaltwüstensteppe im Gegensatz zu früheren Annahmen, dass sie nur saisonal genutzt wurde, zumindest im Zeitraum Spätchalkolithikum und Frühbronzezeit, als ein Siedlungsraum betrachtet werden. Im Rahmen des laufenden Projektes wird untersucht, welche möglichen Ursachen hinter der Gründung dieser Siedlungen gestanden haben können, die in einer solchen unwirtlichen Umgebung liegen. Gleichzeitig wird der Frage nachgegangen, welche Strategien zum Umgang mit diesen besonderen Lebensbedingungen angewendet wurden. Schließlich soll geprüft werden, ob es sich bei den beiden Höhensiedlungen um Einzelfälle handelt oder ob weitere zeitgleiche Siedlungen in dieser Region existierten und damit eventuell entsprechende Siedlungsmuster erkennbar sind.

Diese Fragestellungen definieren die Forschungsziele des Projektes und fokussieren vor allem auf die drei Kernthemen Chronologie, Sozioökonomie und Wasser.

1. Chronologie: Der Aufbau einer, auf 14C-Datierungen beruhenden Chronologie der chalkolithisch / frühbronzezeitlichen Siedlungen Tulul al-Ghusayn, Khirbet Abu al-Husayn und weiterer vergleichbarer Fundorte in der nördlichen Badia unter Einbeziehung von Jawa.

2. Sozioökonomie: Die Charakterisierung der sozioökonomischen Bedingungen in diesen Siedlungen mit einem besonderen Augenmerk auf die Subsistenzwirtschaft wie Ackerbau und Viehweidewirtschaft.

3. Wasser: Die Identifizierung von Strategien des Wassermanagements (z.B. Bewässerungsfeldbau, Wassersammeleinrichtungen) in den Siedlungen und deren unmittelbaren Umgebung.

Aerial view on Khirbet Abu al-Husayn
© Photograph by M. Dalton, courtesy of APAAME // M. Dalton
Aerial view on the garden terraces in the crater of the Tulul al-Ghusayn vulcano
© Photograph by R. Bewley, courtesy of APAAME // R. Bewley
Aerial view on Tulul al-Ghusayn
© Photograph by B. Müller-Neuhof, courtesy of APAAME // B. Müller-Neuhof
Aerial view on Tulul al-Ghusayn from south
© Photograph by R. Bewley, courtesy of APAAME // R. Bewley
Excavated dwelling in Tulul al-Ghusayn with grinding slabs in situ
© B. Müller-Neuhof, DAI-Orientabteilung // B. Müller-Neuhof
Flooded mudpan close to Khirbet Abu al-Husayn
© B. Müller-Neuhof, DAI-Orientabteilung // B. Müller-Neuhof
Khirbet al-Jabariya dwelling after excavation of a trench with fire place in the center
© B. Müller-Neuhof, DAI-Orientabteilung // B. Müller-Neuhof
Khirbet al-Jabariya dwelling prior to excavation with grinding stone fragments on the surface
© B. Müller-Neuhof, DAI-Orientabteilung // B. Müller-Neuhof
Khirbet al-Jabariya Neolithic petroglyph showing a cheetah huntin an oryx
© B. Müller-Neuhof, DAI-Orientabteilung // B. Müller-Neuhof
Khirbet al-Jabariya view on the fortification wall
© B. Müller-Neuhof, DAI-Orientabteilung // B. Müller-Neuhof