Die ›Attius Philippus-Mauer‹ in Side, Pamphylien

Side: Blick vom Theater auf die Abschnitte der sogenannten Attius Philippus-Mauer südlich des Theaters © K. Piesker // K. Piesker

Ergebnisse

Südlich des Theaters ist die sogenannte Attius Philippus-Mauer aus drei aufeinander ruhenden und damit zeitlich aufeinander folgenden Mauern zusammengesetzt (Kurtinen 2 und 3): einer massiven, mörtellosen Konglomerat-Quadermauer, einer ersten Spolienmauer aus relativ sorgfältig geschichteten, großen Quadern unterschiedlicher Provenienz und einer jüngeren Spolienmauer aus kleinformatigen Blöcken und Bruchsteinen mit hohem Ziegel- und Mörtelanteil. Vor der Errichtung der älteren Spolienmauer diente die Konglomerat-Quadermauer als Träger einer vom Theater zu der Therme südlich der ›Staatsagora‹ führenden Wasserleitung. Die Mehrschichtigkeit der Mauer belegt ihre Mehrphasigkeit und ihre unerwartet lange Bau- und Umbaugeschichte. Die sogenannte Attius Philippus-Mauer dokumentiert die Stadtbaugeschichte von Side mindestens von der frührömischen bis in die mittelbyzantinische Zeit.

Die Bauabfolge der Mauer bietet Hinweise zur relativen Chronologie: Die Konglomerat-Quadermauer ist älter als die davor gesetzte, abgetreppte analemma-Mauer des Theaters. Gewisse Zeit nach der Errichtung dieser analemma-Mauer wurden sie und die Konglomeratmauer als Substruktionen der Wasserleitung genutzt. Deren Zerstörung bildet einen wichtigen terminus post quem für die Errichtung der ersten Spolienmauer.

Diese ältere Spolienmauer wies einen doppelgeschossigen Wehrgang auf: Der untere war durch regelmäßige Schießscharten, der obere durch einen breiten Wehrgang gekennzeichnet. Reste der Brüstung des oberen Wehrgangs zeichnen sich in dem kleinformatigen Mauerwerk der jüngeren Spolienmauer ab. Mit dieser wurde die Kurtine um 4,5 m erhöht, das obere Wehrniveau aber obsolet.

Wahrscheinlich gehören das schmale Südtor an der Südwestecke der ›Staatsagora‹ und die Toröffnung in dem zugemauerten Bogentor über der Hauptstraße zu der älteren Spolienphase – ebenso wie Turm 1, der einen Knick der Kurtinen auf der Westseite der ›Staatsagora‹ schützt. Turm 2, der die Kurtine von Turm 1 bis zum Theater in zwei Abschnitte unterteilt, wurde hingegen allem Anschein nach erst gemeinsam mit der jüngeren Spolienmauer errichtet. Er verdeckt drei Schießscharten des unteren Wehrniveaus der älteren.

Demzufolge sind südlich des Theaters zwei byzantinische Mauerphasen belegt, die datiert und erklärt werden müssen. Die erste Phase ist auch am nordwestlichen Abschluss der ›Attius Philippus-Mauer‹, nördlich der byzantinischen Zisterne und des Bogentors nachweisbar (Kurtine 4). Auch hier sind zwei Wehrebenen, eine untere mit regelmäßigen Schießscharten und eine obere mit einem breiten Laufgang, nachweisbar. Allerdings wird die untere Wehrebene nicht, wie südlich des Theaters, durch von Mauerpfeilern getrennte Nischen, sondern durch einen durchgehenden Wehrgang gebildet. Wahrscheinlich ist dies der andersartigen topographischen Situation geschuldet: Das Gelände fällt auf der Innenseite steil zum Meer hin ab. Die jüngere byzantinische Phase ist außer bei Turm 2 nirgendwo sicher nachzuweisen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie ein kleineres Areal als die ältere einschloss.

Die weiteren Abschnitte der ›Attius Philippus-Mauer‹, die südliche Therme, das Bühnengebäude des Theaters, das Bogentor mit seinen umgebenden Bauten, der runde Abschnitt mit der Inschrift des Attius Philippus und die byzantinische Zisterne, weisen nur wenige Befunde auf, die zweifelsfrei mit der mutmaßlichen Wehrmauer verbunden können. Das liegt einerseits daran, dass die durch die byzantinische Mauer überbauten antiken Strukturen bemerkenswert hoch anstehen und andererseits daran, dass in diesen Abschnitten bei den frühen Grabungen nachantike Befunde zugunsten der antiken abgetragen wurden.

Dennoch zeichnet sich in dem fragmentarischen Befund ab, dass man sich zu einem bestimmten Zeitpunkt buchstäblich einmauerte. Diverse mit Bruchsteinen und Spolienquadern zugemauerte Öffnungen und auf der Innenseite massiv verstärkte Mauern zeugen von einem ausgeprägten Sicherheitsbedürfnis in byzantinischer Zeit. Eine geschlossene Verteidigungslinie ist allerdings ebenso wenig eindeutig nachzuweisen wie eine aktive Verteidigung: Die Kurtinen 1–4 mit ihren Türmen bilden hier die Ausnahme. Vom römischen Theater bis zu der byzantinischen Zisterne nördlich des Bogentors sind nur zwei schmale Öffnungen – in dem Mauerabschnitt mit der Inschrift des Attius Philippus – als mögliche Schießscharten anzusprechen. Nur hypothetisch zu rekonstruieren sind Wehrgänge auf der Außenseite des Bühnengebäudes, über dem Bogentor, oberhalb des Nymphäums mit den drei Brunnen, auf der Nordseite des anschließenden Areals sowie nördlich der byzantinischen Zisterne.

Zu den geringen baulichen Resten kommen grundlegende methodische Probleme: Aufgrund der unterschiedlichen Beschaffenheit der Spolienmauern ist beispielsweise nicht klar, ob sie zu ein und derselben Bauphase gehören, oder ob ihre Unterschiedlichkeit auf das verfügbare Baumaterial oder die jeweilige Vorbebauung und städtebauliche Situation zurückzuführen ist. Die mutmaßliche byzantinische Wehrmauer war ein Stückwerk, dessen fragmentarische Reste nur bedingt zu einem kohärenten Gesamtbild zusammengesetzt werden können.

Zu den Untersuchungen liegen ein Bericht zu den laufenden Forschungen in den Tagungsbänden der Koldewey-Gesellschaft und eine zusammenfassende Darstellung der Stadtgeschichte von Side im Rahmen eines Sammelbands zur Transformation Anatoliens in byzantinischer Zeit vor.

K. Piesker, Stadtbauforschung an der sogenannten Attius Philippus-Mauer in Side (Pamphylien), in: Koldewey-Gesellschaft (Hrsg.), Bericht über die 49. Tagung für Ausgrabungswissenschaft und Bau-forschung vom 4. bis 8. Mai 2016 in Innsbruck (Dresden 2017) 156–163

K. Piesker, Side, in: P. Niewöhner (Hrsg.), The Archaeology of Byzantine Anatolia. From the End of Late Antiquity to the Coming of the Turks (Oxford 2017) 294–301