Das Pilgerzentrum von Abu Mena

Ruinen des Pilgerzentrums Abu Mena © DAI Kairo // Peter Grossmann

Ergebnisse

Mit einer kurzen Feldforschungskampagne in April/Mai 2013 in Abu Mina fand die sich seit 2006 über mehrere Jahre hinziehende erzwungene Unterbrechung der Grabungstätigkeit ihren Abschluß. In der Zwischenzeit hatten die Mönche des benachbarten koptischen Klosters im Antikengelände von Abu Mina zwei Kirchen errichtet. Eine davon wurde direkt in die Mitte (Vierung) der als Transeptbasilika ausgeführten Großen Basilika gesetzt, die andere steht knapp 60 m südöstlich der Großen Basilika. Ferner begann eine Gruppe von Arbeitern der Arab Contractors (eine der wichtigsten ägyptischen Baufirmen) mit wenig Verständnis für den Umgang mit antiken Monumenten die originalen Außenwände der Gruftkirche bis auf das Fußbodenniveau einzureißen und durch modernes Mauerwerk zu ersetzen. Nicht einmal die in den Fugenmörtel geratenen Keramikscherben, die für Datierungszwecke wichtig gewesen wären, wurden aufgehoben.

Die archäologische Feldtätigkeit der Mission des DAI bezog sich auf zwei Bereiche: 1) Reinigung und Aufnahme der Raumzeile am Ende des nördlichen Transepts der Großen Basilika, was zur Ergänzung des Gesamtplans der Großen Basilika erforderlich war, und: 2) Reinigung und Aufnahme des kapellenmäßigen Oberbaus einer bereits von C.M. Kaufmann in 1907 teilweise freigelegten Grabanlage, die wegen der herumliegenden, sich durch höchste Qualität auszeichnenden bemalten Putzbrocken mit der in Malerei ausgeführten Darstellung der architektonischen Dekorelemente unsere Aufmerksamkeit erregten. Diese zum Teil großflächigen Putzfragmente waren bereits in 2000 sichergestellt worden. Eine normale Grabungskampagne war der Mission allerdings nicht erlaubt worden, da zunächst die durch den künstlichen Grundwasseranstieg verursachten Schäden an dem Magazinbau des Grabungshauses repariert werden sollten. Dies ist auch zur Zufriedenheit der örtlichen Vertreter des ägyptischen Antikendienstes (SCA) zur Ausführung gelangt.

Projekt 1: Die vermutlich in der Mitte des 6. Jhs. außen am Ende des nördlichen Transepts (Querhaus) der Großen Basilika befindliche Raumzeile gehört nicht zum integralen Bestand der Großen Basilika, sondern ist erst später angefügt worden. Sie bestand zunächst aus einem einzigen schmalen Langraum der von Osten aus dem ebenfalls erst später gebauten äußeren Nordpastophorium (nördlicher Apsisnebenraum) zu betreten war. Später hat man diesen Zugang verschlossen und den ehemaligen Langraum in drei kürzere Raumeinheiten mit eigenen neu eingebrochenen Zugängen in der gemeinsamen Nordwand unterteilt. Die Trennwände wurden an die ohnehin weit vortretenden äußeren Widerlagervorlagen der inneren Stützenstellung der Großen Basilika angeschlossen. Welcher Bestimmung diese Räume dienten, ist unklar. Möglicherweise sind sie als Ergänzungsräume der auf der Nord- und Ostseite des Basilika-Osthofs befindlichen mehrgeschossigen Unterkunftsbauten für das Hilfspersonal des Pilgerzentrums zu verstehen.

Projekt 2: Bei der als Projekt 2 benannten Grabkapelle handelt es sich um ein zunächst für sich bestehendes Wohnhaus, dessen mutmaßlicher südlicher Hauptraum offenbar im späten 5. Jh. in eine mit einer unterirdischen Grabstätte versehenen Grabkapelle umgestaltet wurde. Die Seitenwände der Kapelle lehnen sich an bereits bestehende Wände eines Vorgängergebäudes an. Unmittelbar nördlich neben dem in der Südostecke gelegenen Eingang befindet sich der rechteckige und nach den Funden einst tonnengewölbte Altarraum. Die vordere Eingangsöffnung des Altarraumes ist mit gemalten Pilastern und einem ebenfalls gemalten Stirnbogen geschmückt, der so den Anblick eines Triumphbogens vertritt. Die Malerei selbst zeichnet sich durch hohe Qualität und eine äußerste Präzision der Darstellung aus. Die ebenfalls bemalten flächigen Wandungen und Tonnenwölbung des Altarraumes imitieren opus sectile-Kompositionen (Abb. 5), wie sie in der Antike sehr verbreitet waren. Links neben dem Altarraum befindet sich eine in entsprechender Weise dekorierte Wandnische. Die Rückseite der Nische schmückt eine plastische modellierte Muschel.

Dicht vor der Südwand des Kapellenraumes findet sich der Abgang zu den unterirdischen Räumen des hypogaeums. (unterirdische Grabanlage). Er ist einfach in den Gebel (jungfräuliche Lehmerde) gehackt und an den Wänden mit dünnen Kalksandsteinplatten verkleidet. Am Ende des Ganges befinden sich zwei kleine etwa quadratische Kammern, die eigentlichen Grabkammern der Toten. Sie sind jeweils mit kleinen fensterartigen Öffnungen versehen, die durch hochgestellte Steinplatten verschlossen werden konnten und nur bei Nachbelegungen geöffnet wurden