Tappe Rivi, Nord-Khorasan/Iran: Eine Siedlung erzählt Geschichte

Hügel Rivi A (im März 2022) © DAI-Teheran // Judith Thomalsky

Ergebnisse

Die Geschichte einer Siedlung

Bislang einzigartig ist die Erforschung eines Siedlungsplatzes in Iran, der die Entwicklung von einer „normalen“, zunächst dorfähnlichen eisenzeitlichen Siedlung zu einem zentralen Platz in der Achämenidenzeit (550-333 v. Chr.) erlebt. Das Warum ist eine der zentralen Fragen. Mittlerweile ist klar, dass Rivi schon vor der Perserzeit eine wichtige Rolle in der Region gespielt haben muss. Um 800 v.Chr. werden größere Funktionsbauten angelegt, mindestens ein Monumentalbau von ca. 90 m Seitenlänge (Rivi D), und eine mutmaßliche Befestigung auf der aufgewachsenen Siedlungshügel Rivi A im Süden des Siedlungsgebiets.

Unseren Surveydaten zufolge zeigt die Region einen Besiedlungshiatus zwischen ca. 1500 – 1000 v. Chr., also dem Übergang von der Spätbronzezeit zur Eisenzeit. Mit der Entdeckung eines spätbronzezeitlichen Gräberfelds der Sumbar-Kultur im nördlich Siedlungsareal von Rivi (absolut datiert zw. 17-15 Jh. Chr.) und einem eisenzeitlichen Gräberfeld, im südlichen Bereich von Rivi gelegen, erhöht sich die Chance, am Platz selbst diese Datenlücke überbrücken zu können. Prinzipiell scheint die Aufsiedlung des von Gebirgszügen eingerahmten Samalghantals um 1000 v. Chr. stattgefunden zu haben. Eisenzeitliche Siedlungen, Gräberfelder und kleinere Befestigungen an strategisch wichtigen Punkten wie entlang der natürlichen Zugänge im Südwesten und Nordosten des Tals, verteilen sich großzügig über die heute noch reichen Ackerbauflächen. Auch das gesamte Areal von Rivi, mit den heute noch sichtbaren Erhebungen zwischen mittlerweile trockenen (antiken?) Wasserläufen oder Kanälen scheint clusterartig aber weniger dicht besiedelt worden zu sein. Der Fundplatz, der seit 2020 als Nationales Kulturerbe Irans eingetragen wurde, erreicht so mit Abstand die größte Siedlungsfläche der Region.

Eisenzeitliche Architektur und Abfallgruben wurden im gesamten Siedlungsgebiet gestreut angetroffen. Systematisch ergraben wurden einfache Wohnbebauung östlich von Hügel Rivi A, der eine durchgängige Schichtenfolge von Eisenzeit 2-3 bis in die parthische Epoche hat. Hier haben wir eine ältereisenzeitliche Befestigungsmauer angetroffen, die Teil einer rechteckigen Anlage ist, darüber folgt dann eine Rundmauer mit vorgesetzten Türmen der Achämenidenzeit. Dies ist die erste ihrer Art, die in modernen Iran entdeckt wurde. Parallelen hierfür sind allerdings gut bekannt aus den östlich angrenzenden Provinzen (z.B. Bactria, Margiana and Sogdiana).

Das keramische Fundmaterial zeigt die für Nord-Iran bekannte Abfolge von den Grauen Waren der Eisenzeit I/II zu hellrot- und beigefarbenen Warenarten der jüngeren Eisenzeit III, inklusive charakteristische rotpolierte Formen, die der Achämenidenzeit zuzuordnen sind. Bemalte Keramiken der Yaz-Gruppe kennen wir aus Rivi bislang nur als singuläre Funde. Das sporadische Auftreten von Yaz-Keramik in den Rivi-Schichten mag mit einer kulturhistorischen Grenze im mittleren Atrakgebiet zusammenfallen, entlang derer die nordiranischen Grauen Waren des sogenannten Dhagestan-Horizonts – mit Rivi als ihrem nördlichsten Fundpunkt, und Einflüsse aus Mittelasien (bzw. Yaz) getrennt werden.

Bezüglich der Frage zu Kulturkontakten und Aufsiedlung der Region während des 2.-1.Jt. v. Chr. ist die Entdeckung eines Gräberfelds in Rivi von zentraler Bedeutung. Die im nördlichen Siedlungsareal aufgefundenen Gräber datieren absolutchronologisch in die Zeit zwischen 1650-1500 v. Chr., und sämtlich der sogenannten Sumbar-Kultur zuzuweisen. Das namengebende Sumbar-Tal in Turkmenistan, in ca. 50km Luftlinie nördlich von Rivi entfernt, wurde von Igor Nikolaevič Chlopin in den Jahren zwischen 1972 und 1976 erforscht, wobei mehrere große Gräberfelder der Spätbronzezeit ausgegraben wurden. Siedlungen hierzu sind bislang nicht bekannt geworden. Wir können nun davon ausgehen, dass die Sumbar-Gruppen bis in das Samalghantal gekommen sind. Ob diese Gruppen dann auch permanent in Rivi gesiedelt haben, steht noch offen. Unsere frühesten Siedlungen datieren allesamt in die Eisenzeit 2-3. In Rivi entsteht dann auch bald Monumentalarchitektur (Rivi D), die sich in Layout und Bauelementen (pfeilförmige Fenster) mit sogenannter „medischer Architektur“ vergleichen lässt, aber auch Parallelen in Zentralasien (z.B. Ulug Depe, Turkmenistan) findet.

Während der Achämenidenzeit nimmt Rivi als Warenumschlagplatz eine wichtige Rolle in den Nordostprovinzen des Perserreiches ein. Belege finden sich in Form von zahlreichen Siegelabdrücken auf Ton, die ursprünglich Gefäße und wahrscheinlich auch Schriftverkehr gezeichnet hatten. Neben Aktivitäten im südlichen und zentralen Siedlungsbereich, gibt es noch ein Produktionscenter im Norden nahe der späteren sassanidischen Burg Rivi B. Bislang wurden Reste von mindestens zwei Keramikbrennöfen ausgegraben, zahlreiche weitere lassen sich im geomagnetischen Messbild erahnen und sind Gegenstand zukünftiger Forschungen. Sassanidische Wohnbebauung wurde direkter Nachbarschaft von Rivi B und weiter westlich entdeckt, was eine Reduzierung der Besiedlung auf den nördlichen Bereich fassen lässt. Auf diesen Siedlungsbereich laufen zwei Qanate zu. Eine unmittelbare Beziehung zwischen diesen Anlagen und der sassanidischen Besiedlung ist daher äußerst wahrscheinlich. Die jüngeren Perioden sind in Rivi weniger stark präsent, und sind auf eine weilerartige Ansiedlung mit zugehörigem Friedhof im östlichen Siedlungsbereich konzentriert. Ein kleiner quadratischer Wachturm schützte die Ansiedlung.

Nach den ersten Aktivitäten des deutsch-iranischen Projektes am Siedlungsplatz Tappe Rivi wuchs das lokale Interesse, was „diese Archäologen“ da eigentlich machen. Die Projektleiter bemühten sich von Anfang an um eine gleichwertige Kooperation, die vor allem auch den Schutz des antiken Siedlungsareals als erstes Ziel fasste. Lokale Behörden, Stadtrat und das Ministerium für Kulturelles Erbe veranlassten eine weit gefasste Schutzzone, und das Ende der Bodenentnahme und Baggerarbeiten auf dem Areal. Auch in den Boden eingreifende Bewässerungstechniken und Ackerbau werden zurückgenommen, stattdessen sollen oberirdische und ökologische Techniken angewandt werden.

Archäologische Arbeiten, Konservierung und Restaurierung von Architektur und Objekten sollen langfristig ein Site Museum vor Ort einrichten. Ein entsprechender Maßnahmeplan mit notwendigen Infrastrukturen (Zugangswege, Beschilderung) und Einbindung der Anwohner (Broschüre, Lehrmaterial für Schulen) sowie erste Vorschläge zum Bau eines Visitor Centers wurden gemeinsam erarbeitet und teilweise umgesetzt. Die Grundbesitzer, auf deren Boden sogenannte „areas of interest“ dauerhaft die ergrabene Architektur konservieren und ausstellen, werden entschädigt. Die ansässige „Alte Ziegelei“ mit Brennkammern und Ziegelproduktion in Handarbeit sollen als Industrieerbe in das Site Museum eingebunden werden. Schon jetzt werden die handgemachten Lehmziegel für die Wegepflasterung, Stützmauern und Restaurierung der antiken Lehmbauten genutzt, Bäume gepflanzt, und alter Schutt auf dem Gelände geräumt. Die iranischen Partner organisieren seit einigen Jahren regelmäßig Festivitäten auf dem Gelände, wie beispielsweise ein 3-tägiges Programm mit Musik, Tanz und Spiel zum Persischen Neujahrsfest „Nowruz“, zwischen dem 21.-25. März.

Weiterführende Bibliographie

  • Jafari, J. (2013) The first Season of Archaeological study in Tape Rivi, Samangan plain. Unpubl. ICAR report. Tehran (in Persisch)
  • Jafari, J. (2015) The second Season of Archaeological study in Tape Rivi, Samangan plain. Unpubl. ICAR report. Tehran ( ...
in Persisch)
  • Jafari and J. Thomalsky (2016) The third Season of Archaeological Studies in Tape Rivi, Samangan plain. Unpubl. ICAR report. Tehran (in Persisch)
  • Thomalsky, J. (2016) Tappeh Rivi, Iran: Die iranisch-deutschen Arbeiten des Jahres 2016, Fasz. 3, 62-68. e -Forschungsberichte des DAI 2016 Faszikel 3. 0048-DAI-ED AI-F.2016-3-11-2
  • Jafari, J. & J. Thomalsky et al. (2019) The Iranian-German Tappe Rivi Project (TRP), North-Khorasan: Report on the 2016 and 2017 fieldworks. Archäologische Mitteilungen aus Iran und Turan 48, 2016, 77-120.
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  • Jafari, J. & J. Thomalsky (2021) Tappe Rivi, Siedlungstransformation(en) in antiker und moderner Zeit. In: Die Perser - Am Hof der Großkönige. In: Badisches Landesmuseum Karlsruhe, Philipp von Zabern (Mainz).  
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