Kulturlandschaft Orchontal

Blick über das Orchon-Tal in der zentralasiatischen Steppe. © DAI KAAK // Anonym

Raum & Zeit

Zeit

Mit der Ermordung des letzten bedeutenden Herrschers im Jahr 734 n. Chr. und der Vernichtung des Heeres durch die Uighuren, Basmil und Karluken zerfiel das zweite (ost)türkische Reich. An seine Stelle trat das uighurische Reich, dessen Anführer vom chinesischen Kaiser als Kutlug Bilge Köl Khagan anerkannt wurde. Ordu Balik wird die kurze Zeit später, um 745, gegründete Hauptstadt genannt, heute auch als Karabalgasun („schwarze Stadt“ oder „schwarze Ruine“) bekannt.

In den Reiseberichten des Arabers Tamīm ibn Bahr al-Muttawwi’ī wird vor allem ihre Größe, ihr Reichtum und die landwirtschaftliche Organisation hervorgehoben. Wie auch die spätere altmongolische Hauptstadt Karakorum, die unter Dschingis Khan und seinen Nachfolgern gegründet wurde, diente die reiternomadische Stadt im Orchon-Tal vor allem als Schaltzentrum der Reichsadministration, als Hauptort des Staatskultes und Sitz des höchsten Gerichtes. Nicht zuletzt hatte sie daneben auch eine Handels- und eine Lagerfunktion für Raubgüter und Tributlieferungen inne. Trotz der Wallanlagen, die Karabalgasun umgeben und heute noch in der Oberflächenstruktur sichtbar sind, wurde die Stadt 840 von den Jenissei-Kirgisen erobert und partiell zerstört.

Nur etwa 30 km südöstlich liegt Karakorum („schwarzer Fels“), das heute zu Teilen von dem buddhistischen Kloster Erdene Zuu überdeckt wird. Auch jetzt noch kommt Karakorum als Geburtsstätte des mongolischen Nationalstaates im Selbstverständnis der mongolischen Identität eine Schlüsselrolle zu.

Obwohl der Karakorum-Inschrift zufolge im Jahr 1220 von Dschingis Khan gegründet, wurde die Stadt erst 1235 unter seinem Sohn Ögedei zu einer festen, ummauerten Stadt ausgebaut.

Als kosmopolitischer Sammelpunkt der Reichsvölker zog sie Menschen unterschiedlichster Herkunft und Religion an, wie auch der Franziskanermönch Wilhelm von Rubruk berichtet, der 1253/54 im päpstlichen Auftrag nach Karakorum gereist war.

Erst 1260 begann der Niedergang der Stadt, als Kublai Khan sich für die Verlagerung der Hauptstadt nach Peking entschied.

Raum

Das Orchon-Tal bildet archäologisch und historisch einen klar umrissenen Raum, der sich auch in seinen natürlichen Grenzen, dem Changai-Gebirge im Westen und dem Fluss Orchon im Osten widerspiegelt.

In der alttürkischen Königsideologie war das Orchon-Tal das „Ötükän-Gebiet“, das gesegnete Land mit dem heiligen Hain und dem Berg Qut im Changai-Gebirge. Nicht nur die Uighuren und Mongolen unter der Herrschaft Dschingis Khans, sondern auch weitere steppennomadische Stammesverbände wie die Xiongnu nutzten das Tal für die Gründung ihrer Reichszentren. In der Wahl des Ortes spiegelt sich neben siedlungsstrategischen Gesichtspunkten auch der ideologische Aspekt der Herrschaftslegitimation wider: Wer im Besitz des heiligen Ötükän-Gebietes war, der herrschte über alle Völker im Norden, Süden, Osten und Westen.