Das Grab der Meret-Neith. Visualisierung einer ägyptischen Königin der 1. Dynastie

Weinkrug der Meret-Neith © DAI Kairo // E. C. Köhler

Raum & Zeit

Der Fundort Umm el-Qa‘ab in Abydos geht als Bestattungsort bis in das frühe 4. Jt. v.Chr. zurück und umfasst mehrere Bereiche mit prädynastischen, protodynastischen und frühdynastischen Gräbern bis zum Ende der 2. Dynastie (um 2750 v. Chr.). Aus dem frühen Elitefriedhof entwickelt sich Ägyptens erster Königsfriedhof, auf dem acht Könige und eine Königin der 1. Dynastie (ca. 3050–2900 v. Chr.) bestattet waren. Bei dieser königlichen Dynastie, deren Territorium vermutlich schon damals vom Ersten Katarakt im Süden bis zur Mittelmeerküste reichte, handelt es sich wahrscheinlich um die Begründer des ersten Territorialstaates im Niltal bzw. weltweit. Die Gräber in Umm el-Qa‘ab sind gewaltige, aus Lehmziegeln errichtete unterirdische Grabanlagen, die – mit Holzeinbauten und z. T. mit Steinböden ausgestattet – ursprünglich von Sandhügeln bedeckt waren. Neben der königlichen Bestattung waren ihre Kammern mit Lebensmitteln, Hunderten von Keramik- und Steingefäßen, Kisten voller Textilien und zahlreichen Preziosen für das Jenseits gefüllt. Außerdem umgaben viele kleine Nebengräber, für einfache Leute, Höflinge und Beamte bestimmt, die Königsgräber der 1. Dynastie. Königin Meret-Neith, vermutlich Tochter oder Gemahlin eines Königs, trug u. a. den offiziellen Titel „Königsmutter“, doch ist ihre genaue genealogische Abstammung Position bislang ungeklärt. Sie muss am Hof eine bedeutende Rolle gespielt haben, denn anders ist nicht zu erklären, warum sie als einzige Frau in einer eigenen monumentalen Grabanlage auf dem Königsfriedhof bestattet wurde. Zwar hatten Frauen seit der Vorgeschichte einen möglicherweise gleichrangigen sozio-ökonomischen Status wie Männer, doch stellt sich die Frage, wieso die Königsmacht in dieser Zeit hauptsächlich in der Hand von Männern lag. Denn auch vor und nach Meret-Neith gab es nur sehr wenige historisch belegte Frauen, die ein solches Privileg wie sie besaßen.