Agrigent - Das Olympieion von Agrigent

Forschung

Forschungsgeschichte

Einer Zusammenfassung über die Ergebnisse der Arbeits- und Vermessungskampagnen 2006 bis 2008 am Olympieion von Agrigent kann man sich auf ganz verschiedene Weise nähern, beginnend z. B. mit den antiken Schriftquellen, über die Reiseberichte aus dem 18. und 19. Jhr oder mittels eines Resümees über den aktuellen Forschungsstand zum Tempel.

Überliefert ist der Tempel in zwei antike Quellen; zum einen bei Polybios (2. Jh. v. Chr.), der im neunten Buch seines Geschichtswerks die Stadt Akragas beschreibt. Die Information über den Zeustempel ist dabei verhältnismäßig knapp gehalten. Polybios (9, 27) bezeichnet den Bau als „nicht vollendet“ und betont Entwurf und Größe im Vergleich zu den Tempeln des mutterländischen Griechenlands. Diodor Siculus (ein Schriftsteller aus der zweiten Hälfte des 1. Jh. v. Chr.) liefert eine ausführliche Beschreibung (XIII 82, 1-4) des Tempels, deren Verständnis allerdings in einigen Punkten problematisch ist. Nicht allein, dass die von Diodor angegebene Länge und Breite 340 x 160 (60) x 120 Fuß (32,6 cm dorisch, 29,4 cm attisch) mit der Höhe nicht übereinstimmt, was auf einen Schreibfehler zurückzuführen ist, auf den bereits Winkelmann hinwies, da die übrigen Verhältnisse zutreffen. Vielmehr ist es der Wortlaut: „Als der Tempel des Olympischen Zeus schon das Dach erhalten sollte, kam der Krieg dazwischen. Seitdem waren die Agrigenter nach der Zerstörung ihrer Stadt nicht mehr in der Lage, das Gebäude zu vollenden. Somit könnte man annehmen, dass der Tempel nicht fertig gestellt war." Ferner liegt es nahe, Diodors Nachricht von für den Tempelbau herangezogenen Kriegsgefangen vor allem auf das Olympieion zu beziehen, wodurch eine sichere Datierung der Anlage gegeben wäre.

Neuere Untersuchungen (vor allem durch M. Vonderstein) stellen diese Datierung in Frage, da das Olympieion in seinem Entwurf stark von den Tempeln abweicht, die nach dem Friedensvertrag von 480 v. Chr. errichtet wurden, also dem Athenatempel in Syrakus und dem Tempel in Himera. Insofern könnte die Planung des Tempels und der Baubeginn auch vor 480 v. Chr. liegen und wäre mit dem Beginn der Herrschaft des Tyrannen Theron (488/87-472/71 v. Chr.) zu verbinden.

Eine andere Möglichkeit, mehr Informationen über das Monument zu erfahren besteht darin, den aktuellen Forschungsstand zu konsultieren. Die Anzahl der Publikationen über den Tempel ist im Verhältnis zur Originalität der Anlage erstaunlicherweise gering. Umso mehr verwundert es, dass jede vorgelegte Untersuchung zu einem anderen Resultat kommt und es nicht weniger als 8 Rekonstruktionsvorschläge zum Aufbau des Tempels und seiner Masse gibt, diie Rekonstruktionen aus dem 19. Jh., also vor der gesamten Freilegung der Ruine, nicht mitgerechnet.

Ein weiterer Versuch, sich dem Tempel in all seiner Komplexität zu nähern, könnten die Reisebeschreibungen des 18. und 19. Jh. sein, die dem größten Tempel Siziliens zwar viel Aufmerksamkeit schenken, den Reisenden aber häufig hilflos vor Ort haben stehen lassen.

So würdigt Johann Hermann von Riedesel in seinem Sendschreiben, gedruckt 1771 in Zürich, die Ruine aufs ausdrücklichste, während Goethe auf seiner Sizilienreise 1787 eher ratlos vor der „Knochenmasse“ dieses „Riesengerippes“ stand. Zwar beschrieb er den „Schutthaufen“ so präzise als möglich, indem er die wichtigen Halbsäulen erwähnte und paradigmatisch den ungeheuren Säulendurchmesser veranschaulichet: „Zweiundzwanzig Männer, im Kreis nebeneinander gestellt, würden ungefähr die Peripherie einer solchen Säule bilden“. Er verließ den Ort allerdings mit dem „unangenehmen Gefühle, dass hier für den Zeichner gar nichts zu tun sei“.

Wie Riedesel, Houle und Fazellos, der die Ruine im 16. Jahrhundert als erster beschrieb, muss sich der junge Charles Robert Cockerell von den Steinmassen des Tempels angezogen gefühlt haben. Andererseits ist es nicht erklärlich, dass er im Herbst 1812 für einige Wochen unermüdlich in der Ruine herumkletterte, Steine vermaß und diese zeichnete. Es muss ihn gereizt haben, den offen daliegenden und offensichtlich nicht verstandenen Grund- und Aufriss zu rekonstruieren und – wie schon ein Jahr zuvor bei dem Tempel von Aegina – die herumliegenden Skulpturenteile zusammenzusetzen. Und in der Tat ist gelang es ihm als erster, eine sich aus 27 Teilen zusammensetzende, ca. 8 m große Stützfigur des Tempels, einen sog. Telamon (griechisch: Sohn des Titan Iapetheos und der Meernymphe Klymene bzw. Chemes) auf seinem Zeichenblock zusammenzusetzen und diese in eine Rekonstruktion des Tempels zu integrieren, wodurch er eine Diskussion um die richtige Position der Stützfigur, die Eingangsituation zum Tempel und die Belichtung des Tempelinneren unter Archäologen und Bauforschern auslöste, die eigentlich bis heute nicht abgeschlossen ist.

So sind bis heute, trotz der guten Publikation über den Tempel durch R. Koldewey und O. Puchstein vor genau 110 Jahren und den Grabungen durch die italienischen Kollegen in den Jahren 1925 bis 1940, zahlreiche Fragen zur Anlage selber offen, wie etwa die Höhe der Säulen, die Größe des unteren Säulendurchmessers, die statische Funktion der Stützfiguren und ihre Einbindung in den Wandaufbau, Belichtung, Zugänglichkeit, aber auch die Frage nach einer Reduzierung der Jochweite an den Ecken des Tempels (sog. Eckkontraktion) und damit die Abmessungen der Anlage im Ganzen. Ferner seine Datierung, die richtige Deutung der Anlage als Tempel oder Siegesmonument und seine Vorbilder, um nur einige zu nennen.