Apollonia (Albanien) Theater und Straßenraster in Apollonia

Raum & Zeit

Die Theaterbauten bildeten ein zentrales Element der Gestaltung einer hellenistischen Stadt. Zwar gab es schon in den Städten archaischer und klassischer Zeit Bauten und Einrichtungen, die der Inszenierung von Aufführungen und der Versammlung des Volkes in Ausrichtung auf einen zentralen Platz für Darbietungen und Reden dienten, aber die konventionelle Form des Theaterbaus, bestehend aus einem massiv gestaltetem Zuschauerrund mit Ehrenplätzen und der monumental gestalteten und gegliederten Bühne bildet eine Entwicklung im Wesentlichen der zweiten Hälfte des 4. und des 3. Jahrhunderts v. Chr.

Das Theater erhält in hellenistischer Zeit neben der traditionellen Funktion, den Rahmen für die Aufführung von Spielen zu bieten, die zusätzliche Bedeutung als Ort der Ehrung von Bürgern, der großen verstorbenen Dichter wie im Dionysostheater in Athen oder im Hellenismus der Stifter von Spielen und von Ausbauten. Zugleich ändert sich ganz offensichtlich die Ästhetik der Spiele von einem im Zentrum dargebotenen Kultspiel zu einer szenisch dargebotenen Aufführung. Damit wird es zunehmend zum Ort der Stabilisierung der kulturellen Tradition und damit zusammenhängend der gesellschaftlichen Hierarchie. Vor diesem Hintergrund wäre jeweils im Einzelnen die Aussagefähigkeit der unterschiedlichen Details zu prüfen.

Es fällt auf, dass seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. monumental ausgebaute Theater zum Erscheinungsbild selbst solcher Städte gehörten, die am Rande der griechischen Welt liegen und deren politischer Status nicht immer klar erkennbar ist. Als Beispiele seien nur Jatas auf Sizilien oder Babylon (Mesopotamien) und Ai Khanoum (Baktrien) genannt. Offenbar bildete das Theater so etwas wie ein Signet einer Kultur, die auf der Tradition der Polis klassischer Prägung fußte. Allerdings lässt sich in den griechischen Poleis der hellenistischen Zeit nur schwer ablesen, welche Bedeutung die Theater in ihnen jeweils besaßen, da die verschiedenen genauer untersuchten Beispiele im griechischen Mutterland und in Kleinasien in Bezug auf die Lage in der Stadt, Größe und Ausstattung sehr heterogen sind und auch nach den bisher vertretenen Rekonstruktionen und Datierungen stark divergieren. Außerdem sind die Befunde einiger bedeutender Theater entweder nicht bekannt (Alexandria, Antiochia, Pella), oder bisher nur unzureichend publiziert (Vergina, Milet, Delos).

An diesem Punkt setzt das hier beantragte Projekt ein, denn es versucht, drei Theater einer sehr begrenzten Region im Bereich des griechisch-illyrischen Grenzgebietes zu untersuchen. Die Theater sind im 3. Jahrhundert v. Chr. entstanden und gehören zu drei Städten mit unterschiedlichem Charakter. Dabei gibt es in dieser Zeit auch andere Bauten für Schaustellungen, wie das Stadion von Amantia (in der Umgebung von Byllis) belegt, das ebenfalls in diese Zeit datiert wird. Ausgrabungen im Theater von Apollonia wurde in den 1970er Jahren begonnen. In wesentlichen Teilen erkennbar sind die Orchestra mit etwa 18 Metern Durchmesser und der Grundriss des Bühnenhauses. Einzelne Sektoren der Cavea waren auf der Front der untersten Stufe mit Buchstaben gekennzeichnet, die mit einzelnen Phylen verbunden werden können. Der Ausgräberin zufolge bot das Theater bis zu 8000 Zuschauern Platz. Das Bühnenhaus ließ sich nur teilweise rekonstruieren. Gut erkennbar ist ein Proskenion ionischer Ordnung mit Einlassungen für Pinakes. Unsicher in ihrer Zuordnung sind eine zweite ionische Ordnung mit Rankenfries und eine dorische Ordnung mit reicher Dekoration. Auch deren Datierung ist umstritten – die Ausgräberin weist den Rankenfries einem Ausbau in flavischer Zeit zu. In der Spätantike wurde eine Basilika eingebaut, von der sich noch geringe Reste einer Apsis im Bereich des Bühnenhauses abzeichnen.

Das Theater der Stadt Byllis, die etwa 40 km entfernt im Hinterland von Apollonia liegt, verfügt über eine Orchestra von etwa 20 Metern Durchmesser. Auch Bühnenhaus und Zuschauerrund entsprachen in der Größe etwa der Anlage in Apollonia. Der Ausgräber berechnete das Fassungsvermögen auf ca. 7.500 Personen. Trotz einer Fülle von Publikationen wurden wesentliche Details des Theaters – vor allem seines architektonischen Dekors – bisher nicht vorgestellt. Dazu gehört wie auch in Apollonia eine Reihe unterschiedlicher, z. T. reich geschmückter Ordnungen. Aber auch hier bleibt der Aufbau des Bühnenhauses in seinen Details unklar. Gleiches gilt für die Sitzreihen des Zuschauerraumes. Nur die Prohedrie mit ihren Ehrensitzen ist gut zu erkennen.

Die antike Stadt Nikaia (Klos) liegt etwa 3 Kilometer von Byllis entfernt und wird als deren Vorgängerin angesehen. Das sehr einfache Theater, dessen Sitzreihen fast vollständig in das Felsmassiv gehauen sind, wurde in den 1970er Jahren von L. Papajani freigelegt und publiziert. Es besaß mit einer Orchestra von etwa 10 Metern Durchmesser nur bescheidene Dimensionen und bot vielleicht an die 800 Zuschauern Platz. Von seiner Architektur ist außer den Einarbeitungen im Fels und einigen wenigen Blöcken kaum noch etwas erhalten, aber aus Widersprüchen zwischen den Befunden vor Ort und der Publikation ergeben sich einige Probleme.

Einige Bauten in der Region versprechen innerhalb der hier angesprochenen Fragestellung zusätzlichen Aufschluss und sollen mit in die Betrachtungen einbezogen werden. Aufschlussreich ist das Stadion in Amantia, das ebenfalls in das 3. Jahrhundert v. Chr. datiert wird. Es handelt sich um eine einfache Anlage mit Sitzstufen ohne weiteren architektonischen Ausbau. Das Theater von Oricum, etwa 40 Kilometer südlich von Apollonia im Golf von Vlora an der Küste gelegen, wird in das 1. Jahrhundert v. Chr. datiert und fällt somit aus dem hier betrachteten Rahmen heraus – bietet dadurch allerdings die Möglichkeit, die besonderen Qualitäten der Theater der frühhellenistischen Zeit deutlicher herauszustellen. Ferner verdient die Gestalt der monumentalen Felsgräber der illyrischen Siedlung von Basse-Selce außerhalb des hier betrachteten Territoriums im nördlichen Albanien, die ebenfalls in das 3. Jahrhundert v. Chr. datierbar sind, berücksichtigt zu werden. Dort wurde oberhalb einer Grabkammer (Grab Nr. 2) ein kleines Theater in den Fels gehauen, das der Ausgräber N. Ceka wohl zu Recht mit ritueller Verehrung der Verstorbenen in Verbindung gebracht hat.

Apollonia wurde im frühen 6. Jahrhundert v. Chr. gegründet und ist damit die älteste Stadt der Region, zu der später wohl im späten 6. und frühen 5. Jahrhundert Orikos und Amantia hinzukommen. Byllis war möglicherweise der Zentralort eines Koinon verschiedener illyrischer Städte. Die Stadt wurde wohl um die Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. gegründet und löste damit unmittelbar die benachbarte Stadt Nikaia ab.