Das Areal Santa Barbara in Baalbek/Heliopolis

Im Vordergrund links ist der sog. Tempel der Venus zu sehen, dessen Bezirk von Kollonnaden umgeben ist. In der Bildmitte befindet sich der sog. Musentempel. Im Hintergrund ist das Heiligtum des Jupiter sowie der Bacchus-Tempel zu sehen. © DAI, Orient-Abteilung // I. Wagner

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Namensgebend für das sogenannte Venusareal ist der hochkaiserzeitliche Rundtempel, der sich in diesem Bezirk befindet und traditionell Venustempel genannt wird. Das gut erhaltene Bauwerk war aufgrund seiner erhöhten Lage im Gelände seit der Antike nicht überbaut worden und diente noch im 19. Jh. als Kirche der hl. Barbara. Das Areal um den Rundtempel wurde bei Ausgrabungen der libanesischen Antikenverwaltung in den 1950er bis 1970er Jahren freigelegt, wobei der Temenos mit einer Peribolosmauer und ein zweiter, älterer Tempel zutage traten.

Dieser frühkaiserzeitliche Bau wurde von den Ausgräbern als Musentempel bezeichnet. Er entstand um die Zeitenwende in einer Mischung aus lokalen und „importierten“ römischen Bautraditionen. Für den Kult der nicht identifizierten Gottheit spielten der Bezug zur Natur und dem jährlichen Frühjahrshochwasser eine entscheidende Rolle: der Bau wurde am Zusammenfluss zweier Wadis errichtet, der zugehörige Altar war aus dem anstehenden Fels gearbeitet. Im Laufe der Zeit haben Überschwemmungen und damit einhergehende Zusedimentierung jedoch zu Schwierigkeiten beim Unterhalt des Heiligtums geführt, so dass bauliche Veränderungen vorgenommen wurden, die eine zunehmende Regulierung der Wasserläufe beinhalteten. Vom natürlichen Kultplatz mit Felsaltar und Wasserkult wurde das Heiligtum nach und nach in einen innerstädtischen Baukomplex umgewandelt, der urbanen Gesichtspunkten untergeordnet war. Der Rundtempel und die Umfassungsmauern entstanden im Zuge dieser Veränderungen ungefähr im 3. Jh. n. Chr. Der Zugang wurde durch ein Propylon an der Straße vor dem sog. Bacchustempel gewährt.

Die sakrale Geschichte des Areals Santa Barbara läßt sich erstmals in der frühren Kaiserzeit, mit hoher Wahrscheinlichkeit erst nach der Eingemeindung zur Colonia Berytos im Jahre 15 v. Chr. fassen. Gegenüber des alten Tells und in Sichtweite seiner zentralen Aufgangssituation wurde ein kleiner pseudoperipteraler Tempel errichtet, dessen Grundriß deutlich an stadtrömische Vorbilder erinnert, dessen Bauglieder aber ebenso deutlich lokaler Formensprache verhaftet sind.

Der Tempel wurde bewußt am tiefsten Punkt der Umgebung errichtet. Der Auslauf zweier Wadis, von denen zumindest einer dauerhaft Wasser führte, befindet sich ungefähr an dieser Stelle, so daß gerade in den Zeiten der Überschwemmungen im Frühjahr, wenn Unmengen an Schmelzwasser aus dem Antilibanon herabflossen, der Tempel nahezu im Wasser stand. Er war nach Osten auf einen erhöhten Felsblock ausgerichtet, der wohl noch aus dem Wasser ragte und vielleicht eine Art Markierung war, was dazu führte, daß man ihn als Altar benutzte und entsprechend abarbeitete.

Dieser Tempel diente sicher einem lokalen, auf das Wasser ausgerichteten Fruchtbarkeitskult, eine genaue Benennung der in ihm verehrten Gottheit ist nicht mehr möglich.

Während des ersten und zweiten nachchristlichen Jahrhunderts geriet der Tempel in den Schatten der monumentalen Nachbarbauten, des Jupiterheiligtums und schließlich des sogenannten Bacchustempels. Dies muß aber nicht für den lokalen Kult gegolten haben, denn es zeigen sich Umarbeiten an der Frontreppe des Tempels, die bezeugen, daß man auf die durch die Überschwemmungen bedingte Zusedimentierung reagierte.

Wahrscheinlich im dritten Jahrhundert wurde der Bezirk nochmals aufgewertet, indem ein kleiner Rundtempel erreichtet wurde, dessen ungewöhnliche Formgebung eine ambitionierte Konzeption und damit eine entsprechende Wertschätzung bezeugt, auch wenn die Qualität der Ausarbeitung hinter der anderer Baalbeker Bauten zurückbleibt, was auf ein hohes Bauaufkommen in der Stadt und damit möglicherweise zusammenhängende Finanzierungs- und/oder Materialengpässe deuten kann. Sowohl Bauherr als auch Kultzuweisung des Tempels sind unbekannt, ob die in einer Inschrift am hinteren Tempelpodium genannten Musen als Kultinhaberinnen zu verstehen sind, ist umstritten.

Da durch den Bau besonders des Bacchustempels höchstwahrscheinlich neue Wegesysteme erforderlich waren, reagierte man auch darauf. Das Areal Santa Barbara wurde mit einer auf die Straßen ausgerichteten Kolonnade umgeben und ein kleines Propylon errichtet, welches sich auf den Platz vor dem Bacchustempel, der vielleicht eine Art Verteiler war, ausrichtete. Der neue Rundbau richtete sich auf dieses Propylon aus.

Mit der zunehmend verdichteten Stadtbebauung wurde das immer noch fließende Wasser mehr und mehr zu einem Problem, dem man durch stets weiter ausgebaute Kanalisierungen entgegenwirken wollte. Zeugnis dafür ist eine Inschrift aus dem Jahr 430/31 n. Chr., in der der Neubau eines Kanals hinter dem Rundtempel thematisiert wird. Während man innerhalb des Areals gegen die Zusedimentierung ankämpfte und versuchte, das Niveau einigermaßen zu halten, stiegen in der Stadt die Laufhorizonte, was dazu führte, daß die Straßen in der Spätantike neu gefaßt und mit neuen Portiken gesäumt wurden. Dadurch wurde es notwendig, den Höhenunterschied zum nun deutlich tiefer liegenden Heiligtum durch eine Treppe auszugleichen, in der Bauteile des alten Pseudoperipteros Verwendung fanden. Dieser wurde also – wohl im Zuge der Christianisierung – abgebaut, während der Rundtempel als Kirche genutzt wurde und dadurch bis in die heutige Zeit erhalten blieb. In nachantiker Zeit war das Gelände vorwiegend Wohngebiet, zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts war der Rundtempel komplett von osmanischen Häusern und einer kleinen Moschee eingebaut.