Deir Anba Hadra (Simeonskloster), ein mittelalterliches Kloster auf dem Westufer von Assuan

Gesamtanblick des ummauerten Klosters von Osten © DAI Kairo // Lena Krastel

Raum & Zeit

Das Deir Anba Hadra befindet sich auf dem westlichen Nilufer, gegenüber der antiken Stadt Syene sowie der Insel Elephantine (24°5'40,8'' nördl. Breite, 32°52'35,7'' östl. Länge, 140 m ü. NN). Die Klosteranlage wurde ungefähr 1,2 km vom Nil entfernt in der Wüste errichtet und erstreckt sich auf einem Sandsteinplateau über zwei Terrassen, die durch eine Felsstufe voneinander separiert sind.

Bereits im Alten und Mittleren Reich wurde die Felsformation, auf der sich das Kloster erhebt, von den Ägyptern für Steinbrucharbeiten genutzt. Die dabei entstandenen Felshöhlungen wurden möglicherweise in byzantinischer Zeit von Eremiten oder kleinen Mönchsgemeinschaften als Behausung genutzt, woraus sich schließlich das Kloster entwickelt haben könnte.

Die Klosteranlage erstreckt sich über zwei Terrassen, die durch eine Felsstufe - die ehemalige Abbruchkante des Steinbruchs - voneinander getrennt sind. Die untere Terrasse wird von der Klosterkirche dominiert, deren heute noch sichtbaren Reste zu einem dreischiffigen Achtstützenbau gehören. An die Kirche schließt sich eine Grotte an, die den ältesten Bereich des Klosters bildet. Die Klosterkirche wird von verschiedenen Gebäuden, wie Unterkünften für Pilger, Räumen für liturgische Vorbereitungen und einer kleinen Kapelle, flankiert. Das imposanteste Gebäude der oberen Terrasse ist der Wohnbau der Mönche, der sog. Qasr, in dem neben den Zellen der Mönche auch das Refektorium und die Küche untergebracht sind. Neben dem Wohnbau befinden sich Wohnquartiere der Dienerschaft, sanitäre Anlagen, Ställe, Lagerräume sowie verschiedene Wirtschaftsanlagen wie Mühlen und Öfen. Die gesamte Klosteranlage wird von einer 6 m hohen Umfassungsmauer umgeben und ist über zwei Eingänge, einen auf jeder Terrasse, zugänglich. Die Terrassen selbst sind über zwei Treppen miteinander verbunden.

Etwa 200 m südöstlich der Klosteranlage erstreckt sich der Friedhof. Die wenigen erhaltenen Gräber sind auf dem Fels aufsitzende Lehmziegelbauten mit einen rechteckigen Grundriss, die in Reihen angelegt und von Tonnengewölben aus Lehmziegeln überdacht waren. Ein einziges Grab, dessen Architektur den Gräbern des Friedhofs gleicht, wurde bislang innerhalb der Klosteranlage identifiziert, unmittelbar angelehnt an die Südwand der Kirche. Aufgrund der Lage muss es für eine Person von Bedeutung angelegt worden sein, stammt allerdings aus einer späteren Ausbauphase der Kirche.und damit einer späteren Entwicklungsphase des Klosters. Für wen dieses Grab ursprünglich gedacht war, ist unklar.

Die Baugeschichte der Klosteranlage ist bislang in weiten Teilen noch unklar. Zwar konnten insbesondere die Inschriften und zu einem gewissen Grad auch die Architektur sowie die einzelnen Putzschichten wichtige Informationen liefern, doch wurden für eine exakte Datierung wichtige Untersuchungen noch nicht oder nur unzureichend durchgeführt. Basierend auf den epigraphischen Zeugnissen – sowohl den Grabstelen als auch den Graffiti und Dipinti – sowie den bisherigen Erkenntnissen zur Architektur und den Wandmalereien wurde ein chronologisches Modell der Baugeschichte von Kirche und Kloster entwickelt. Die Ansätze, die auf Monneret de Villard zurückgehen, wurden kürzlich durch Renate Dekkers Untersuchung der Putzschichten innerhalb des Kirchengebäudes präzisiert. Aufbauend auf ihren Theorien unter Bezugnahme der Ergebnisse der Arbeiten von Peter Grossmann zur Klosterkirche sowie einer von Felix Arnold 2003 vage formulierten Hypothese zur Verbindung zwischen einer Klosteranlage auf Elephantine und dem Deir Anba Hadra, könnte die Baugeschichte des Klosters folgendermaßen zu rekonstruieren sein:

Im 6./7. Jh. n. Chr. wurde eine der Grotten, die möglicherweise zuvor als Behausung für Eremiten oder eine kleine Mönchsgemeinschaft gedient hatte, zu einer Kapelle ausdekoriert und möglicherweise als eine Art Pilgerstätte für die Gläubigen von Elephantine und Syene genutzt. Für diesen Zeitpunkt ist eine richtiggehende klösterliche Gemeinschaft am Ort des späteren Klosters auf dem Westufer noch nicht nachweisbar. Es gab hingegen ein Kloster auf Elephantine, das den archäologischen Zeugnissen nach zu urteilen vom 6./7. Jh. bis zum 9./10. Jh. n. Chr. bewohnt war. Aus der "Geschichte der Kirchen und Klöster" des Abu al-Makarim, eines christlich-arabischen Autors, der im späten 12. und frühen 13. Jh. n. Chr. lebte, erfahren wir von einer Kirche des Anba Hadra auf Elephantine, in der auch dessen Leichnam bestattet lag, und einem in unmittelbarer Nähe befindlichen Kloster. Kirche und Kloster waren allerdings laut Abu al-Makarim zu diesem Zeitpunkt zerstört. Auf dem Westufer hingegen erwähnt Abu al-Makarim ausdrücklich ein Kloster des Anba Hadra, das in Betrieb ist. Wie diese gleichnamigen Klöster auf Elephantine und auf dem Westufer zusammenhängen, bleibt bislang ungeklärt.

Im Klosterareal auf dem Westufer wurde in der ersten Hälfte des 10. Jh. n. Chr. im Bereich vor der dekorierten Höhle eine Kirche errichtet bzw. ein kleinerer Vorgängerbau so ausgebaut, das der Grundriss der noch heute erhaltenen Kirche des Deir Anba Hadra entsprechen dürfte. Für die Errichtung dieses Bauwerkes wurde ein Teil der Höhle, die möglicherweise zu diesem Zeitpunkt in ihrem vorderen Bereich einige Schäden erlitten hatte, eingerissen respektive von den neu errichteten Kirchenwänden teilweise verdeckt. Die Wände der Kirche wurden mit einem ersten Putz und einer Dekoration versehen.

Vor dem Jahr 962 n. Chr. dürfte die Kirche bereits eine Renovierung erfahren haben, wie ein Dipinto an der Südwand des nördlichen Seitenschiffs nahelegt. Neben einem Ostanbau erhielt die Kirche auch einen neuen Putz sowie neue Wandmalereien.

Weitere Renovierungsarbeiten dürften zwischen dem Jahr 1104/1105 n. Chr. und 1297 n. Chr. ausgeführt worden sein, wie weitere Inschriften und Putzschichten nahelegen. Ebenfalls ist davon auszugehen, dass Grabstelen bei diesen Arbeiten im Gewölbe der Kirche verbaut wurden, wie die jüngste Stele aus dem Jahr 990/991 n. Chr. suggeriert.

Wie bereits Renate Dekker bemerkte, befinden sich ab dem späten 13. Jh. nun vermehrt Inschriften im Sanktuarbereich, was bedeuten könnte, dass die Kirche nicht mehr in aktuellem Gebrauch und das Kloster womöglich verlassen war. Dass das Kloster zu dieser Zeit möglicherweise verlassen bzw. der Klosterbetrieb im eigentlichen Sinne eingestellt wurde, vermitteln auch die Inschriften aus dem Wohnbau der Mönche, in dem zwar die ältesten (arabischen) Besucherinschriften in das 10. oder 11. Jh n. Chr. datieren, die anderen datierten koptischen Besucherinschriften jedoch ausschließlich aus dem 14. Jh. n. Chr. stammen. Auch der Großteil der zahlreichen arabischen Besucherinschriften im Wohnbau - vor allem von muslimischen, aber auch von christlichen Besuchern hinterlassen - datieren aus dem 13.-14. Jh. n. Chr. und deuten damit auf einen Funktionswandel der Anlage.