Canosa - Die Architektur des Tempels von San Leucio

© M. Wolf/ DAI Abt. Rom // M.Wolf/DAI Abt. Rom

Forschung

Die in Nordapulien, dem antiken Daunien gelegene Stadt Canosa war ab dem 4. Jahrhundert v. Chr. stark vom griechischen Tarent geprägt und hatte später zugleich eine große Bedeutung für die Romanisierung der Region. Den Ausgangspukt der neuen, einjährigen Studie bildet die Neuaufnahme aller erhaltenen Bauglieder des Tempels von San Leucio, die sich auf dem Gelände der archäologischen Zone befinden oder mittlerweile im Antiquarium ausgestellt sind. Es handelt sich dabei um wenige Basen, eine Vielzahl von kannelierten Säulentrommeln und Kapitellen, Gebälkblöcke von einem Triglyphon, Geison und einer Löwenkopfsima sowie Elemente von Telamonen. Bei den Kapitellen gibt es zum einen ionische, zum anderen die charakteristischen korinthischen Kopfkapitelle, die stets allgemeines Aufsehen hervorriefen. Ebenso soll der Grundriß der erhaltenen antiken Fundamentstreifen neu aufgenommen werden. Auf dieser Grundlage gilt es dann, die aufgehende Architektur des Tempels definitiv zu klären, was bisher nur in Ansätzen und skizzenhaft versucht wurde, und in Grundriß, Schnitt und Ansichten und in dreidimensionalen Zeichnungen, also in Axonometrie und Perspektive, darzustellen. Unklar war bisher stets, welchen Typs (Prostylos, Peripteros, Amphiprostylos oder Pseudodipteros?) der Tempel war, an welcher Stelle die ionische bzw. die korinthische Ordnung am Tempel ihren Platz hatte, ob es eine Halbsäulenordnung gab oder ob alle erhaltenen halben Säulentrommeln und halben Kapitelle jeweils zu Vollsäulen zusammengesetzt gewesen waren, und auch, wo die Telamone angebracht waren. Für eine schlüssige Rekonstruktion sind umfangreiche Literaturrecherchen zu Vergleichsbauten in Süditalien, aber auch in der gesamten griechischen Welt hilfreich. Ziel der Studie ist es also, die Architektur des Tempels von San Leucio, der ein Schlüsselstück für das Verständnis der hellenistischen Baukunst in Apulien und des Zusammentreffens der großgriechischen mit der indigenen, daunischen Bautradition in hellenistischer Zeit darstellt, in Zeichnungen zu rekonstruieren und wiederzugewinnen. Die Arbeiten sollen letztlich in eine Publikation in den Römischen Mitteilungen münden.

Canosa Tempel
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