Kislovodsk – Landschaftsarchäologie im Nordkaukasus

© DAI-Eurasien-Abteilung // Saine Reinhold

Ergebnisse

Ergebnisse und Analysen

Luftbildarchäologie & Geoinformatik

Mit Hilfe der systematischen Luft- und Satellitenbildauswertung konnten fast 300 archäologische Fundstellen lokalisiert werden. Es handelt sich um Siedlungen, aber auch um Einfriedungen für Vieh, rituelle Analgen, Landmauern oder Menhire. Nicht erfasst wurden die hunderte von Grabhügeln, die auf allen Plateaus und in den Tälern zu finden sind.

GPS-Tracks auf den Fundstellen und georeferenzierte Luftbilder ermöglichten es die Grundpläne von knapp 2.000 Häusern und Einfriedungen zu erfassen. Sie sind in ein Geoinformationssystem eingebunden und können so in ihrer Raumstruktur analysiert werden. Es ließ sich so ermitteln, dass die Territorien, die in der Nähe der Siedlungen als Wirtschaftsflächen vorhanden sind nicht ausreichend waren, um die vermutlich große Zahl an Menschen und Tieren in den oft gleichzeitig existierenden Siedlungen zu ernähren. Vermutlich wurde das Vieh im Sommer außerhalb des Siedungsterritoriums gehalten.

Geophysik & Bodenkunde

Entscheidend zum Erfolg der archäologischen Untersuchung hat der systematische Einsatz von großflächigen geophysikalischen und bodenkundlichen Prospektionen beigetragen. Die russischen Projektpartner konnten mit Georadar (S. Merkulov) Ruinen lokalisieren, die obertägig nicht sichtbar waren. Magneotmetriemessungen an 8 Fundplätzen (J. Fassbinder) zeichnete nicht nur sehr präzise die Gebäude nach, sondern zeigte unter anderem im Umfeld der Siedlungen mit symmetrischem Grundriss breite Müllzonen. Sie geben sie Einblick in Zonen mit erhörter menschlicher Aktivität.

Für die Bestimmung von Aktivitätszonen entwickelten die Partner aus der Bodenkunde zusätzlich innovative mikrobiologischen Analysemetoden, die den Aufenthalt von Tieren nachweisen können. Die Methoden zielen auf Mikroorganismen im Boden – Bakterien oder Pilze – die bei der Zersetzung von organischen Materialien wirken. Sie lassen sich auch nach Jahrtausenden wieder reaktivieren und zeigen z.B. Ställe, in denen sich ehemals Fäkalien angesammelt hatten. Der Nachweis von Tieren, die in den großen Häusern aufgestallt waren, erlaubte es für die Häuser die Zahl möglicher menschlicher und tierischer Bewohner zu berechnen. Mit Hilfe der Pläne der Siedlungen waren damit Aufstellungen zu möglichen Bevölkerungs- und Herzenzahlen möglich. Unser Projekt ist eines der wenigen, in dem quantitative Aussagen zur Wirtschaftsleistung eines Berglandwirtschaftssystems möglich sind.

Archäologie

In den fast 10 Jahren des Projektes wurden 2004-2008 in der Siedlung Kabardinka 2 ausgegraben. Es wurden zwei vollständige Hausgrundrisse sowie verschiedene Testareale und ein Transsekt durch die Müllzone ausgegraben. In den Jahre 2009 und 2010 lag der Fokus auf systematischen Prospektionen, der topographischen Dokumentation und der Anlage von kleinen Testschnitten in zahlreichen Siedlungen. 2011 wurden im Kabardinskiy 9 Gräberfeld zwei Grabhügel mit 15 Gräbern ausgegraben. Sie datieren in die Mitte und ans Ende der Mittelbronzezeit vom 25. bis ins 19. Jh. v.Chr. Ein Hausgrundriss wurde 2012/2013 in der Passsiedlung Gumbashi 1 auf fast 2100 m Höhe ausgegraben. Sie datiert wie Kabardinka 2 ins 14.-10. Jh. v.Chr. Der unterhalb liegende Gumbashi Pass bildet die Wasserschiede zwischen den Flusssystemen des Kuban und der Kuma und damit zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer. Im selben Jahr wurden am östlichen Rand des Areals mit spätbronzezeitlichen Siedlungen ein keiner Friedhof mit 11 Gräbern ausgegraben. Anders als erwartet, datieren sie nicht in die Spätbronzezeit sondern ans Ende der Skythenzeit in der Mitte des 5. Jh. v.Chr. Die letzten Ausgrabungen fanden im Sommer 2015 auf dem Heiligtum Ransyrt 1 statt. Dieser eindrucksvoll über dem Steilabfall des Podkumok thronende Ort ist der älteste Platz mit Steinarchitektur. Die etwa 300 m große Halbkreisanlage ist mit mehreren Ringen an den Steilabfall gebaut. Sie besaß im Inneren mehrere Räume und Plattformen, die im Zentrum gewaltiger Feste gestanden haben müssen. Deren Reste fanden wir in und um die Strukturen deponiert.

Über die Jahre entstanden mehr als 50 Radiokarbondaten aus den verschiedenen Siedlungen und Siedlungsschichten, so dass heute eine Siedlungsentwicklung Entwicklung über fast ein Jahrtausend möglich ist.

Archäozoologie & Anaylse stabiler Isotope

Aus den Siedlungsgrabungen von Kabardinka 2 und dem Heiligtum Ransyrt 1 stammen große Tierknochenassemblagen, die viele neue Erkenntnisse zur Viehhaltung der Gebirgsbewohner erbrachten. Erste Analysen von Stabilen Isotopen geben Einblicke in die Raumnutzung. So zeigen etwa die Tiere aus dem Heiligtum Ransyrt 1 und der Passstation Gumbashi 1 ein breites Spektrum in den Strontium-Signale ihrer Zähne. Beides sind Orte, an denen man 'fremde' Tiere erwidern würde. Leider bestätigten die Analysen jedoch die Sömmerung der Viehherden in den Hochalmen südlich der Siedlungszone nicht, weil der geologische Untergrund zu ähnlich ist.

Anthropologie, Paläogenetik, Proteomik

Mit den Ausgrabungen von Gräbern in Kabardinskiy 9 und Ullu war es möglich, die Menschen, die hinter den archäologischen Quellen stehen zu erfassen. Allerdings konnten wir bisher keine Bestattungen aus dem Zeitraum der spätbronzezeitlichen Siedlungen finden. Auch war die Knochenerhaltung sehr schlecht. Dennoch waren paläogenetische Analysen von zwei Individuen der späteren Belegungsphase von Kabardinskiy 9 möglich. Es handelt sich um einen erwachsenen Mann und ein Mädchen, die im zweiten Grad miteinander verwandt sind. Das Kind ist das bislang älteste datiere Individuum, für das der genetische Nachweis von Laktose-Verträglichkeit gelang. Der Mann wiederum war Teil einer Studie zum Nachweis von Milcheiweiß im Zahnstein. Die sogenannte Paläoproteomik zeigte, dass zu seiner Nahrung regelmäßig Milchprodukte – Käse, Quark, Jogurt etc. – gehörten.