Kislovodsk – Landschaftsarchäologie im Nordkaukasus

© DAI-Eurasien-Abteilung // Saine Reinhold

Forschung

Mit der Entdeckung von zahlreichen, wohl permanent bewohnten, Siedlungen im kaukasischen Hochgebirge, deren älteste Vertreter nun ins 18. Jh. v.Chr. zu datieren sind, eröffneten sich Perspektiven auf eine Kulturlandschaft, die bis dahin unbekannt und auch grundsätzlich unerwartet war. Die Bevölkerung der Kulturen des 3. und 2. Jahrtausends v.Chr. galt lange wegen ihrer überwiegend pastoralen Ökonomie als mobile Viehzüchter und Hirten. Vor allem aus der Spätbronzezeit im 2. Jt. v.Chr. waren im Kaukasusvorland praktisch kaum Funde bekannt, so dass die Frage im Raum stand, ob und wo überhaupt Menschen während dieser Epoche im Kaukasus und seiner nördlichen Peripherie siedelten.

Die Erforschung einer ganzen Kulturlandschaft bei minimalen Bodeneingriffen um die archäologischen Denkmäler möglichst gut zu schützen, erfordert ein sehr breites Spektrum an nicht-destruktiven Methoden. Die Ruinen der untersuchten Steinbauten sind indes hervorragend auf Luftbildern und Satellitenbildern zu sehen, weshalb in einem ersten Schritt Fernerkundungsdaten ausgewertet wurden um die Orte zu finden. In einem zweiten Schritt zielten Geländebegehungen darauf ab, die Ruinen mit GPS zu vermessen und so genaue Planskizzen zu erhalten. Der Zustand der Ruinen, Funde an der Oberfläche und topographsiche Charakteristika wurden in einem archäologischen Geoinformationssystem erfasst. Es wird noch immer um neue Daten ergänzt.

Vor Ort wurde dann an ausgewählten Fundstellen die Mikrotopographie erfasst. Dabei kam ein Differential-GPS zum Einsatz, das mit einer Messgenauigkeit von 3cm hochauflösende Messungen ermöglichte. Somit konnten genaue Pläne der zum Teil unter Grass verborgenen Bauten angefertigt werden. Geophysikalische Messungen – Magnetometrie und Georadar – wurden eingesetzt um möglichst viele Informationen über die nicht sichtbaren Teile der Fundstellen zu bekommen. An ausgewählten Stellen wurde dann ausgegraben, um die Details der Gebäude, die Abfolge ihrer Mauern aber auch Informationen über die Lebensumstände der ehemaligen Bewohner zu erhalten.

Besonders hilfreich erwies sich dabei eine neue Methode der Analyse von Sedimenten, welche die beteiligen Geoarchäologen entwickelten. Erstmals wurden Mikroorganismen untersucht, die Hinweise auf aufgestalltes Vieh liefern können. Es handelt sich um Mikropilze, die sich von Keratin aus Haaren oder Hufmaterial ernähren bzw. um Bakterien, die auf Fäkalien reagieren. Ihre Sporen können reaktiviert werden und geben dann Einblicke in Aspekte der Nutzung von Häusern oder der gesamten Siedlung, die dem bloßen Auge verschlossen bleiben.

In den vergangen Monaten wurden in GoogleEarth© aktuelle Satellitenbilder der französischen Plejades Satelliten eingestellt. Die Bilder unter Schneebedeckung aus dem Winter 2013 zeigen die Siedlungen teilweise mit unglaublicher Detailschärfe.

Regardless of whether or not fixtures are present, a campsite is re-established anew with each annual occupation. … By contrast, a permanently occupied village, or even one that is seasonally abandoned has a history” (Cribb 1991a, 156).

Mit der Entdeckung von zahlreichen, wohl permanent bewohnten, Siedlungen im kaukasischen Hochgebirge, eröffneten sich Perspektiven auf eine Kulturlandschaft, die bis dahin unbekannt und in dieser Höhe auch grundsätzlich unerwartet war. Die Bevölkerung der Kulturen des 3. und 2. Jt. v.Chr. galt wegen ihrer überwiegend pastoralen Ökonomie lange als mobile Viehzüchter und Hirten. Vor allem aus der Spätbronzezeit im 2. Jt. v.Chr. waren im Kaukasusvorland praktisch kaum Funde bekannt, so dass die Frage im Raum stand, ob und wo überhaupt Menschen während dieser Epoche im Kaukasus und seiner nördlichen Peripherie siedelten.

Die Entdeckung der dicht mit Dörfern aus großen Holzhäusern auf Steinfundamenten bestückten Landschaft südlich von Kislovodsk lieferte auf diese Frage überraschende neue Antworten. Mittlerweile kann der Ansiedlungsprozess einer mobilen Gesellschaft dokumentiert werden, der mit einfachen, lagerartigen Orten beginnt und in der Aufsiedlung ganzer Landstriche mit kleinen Dörfern endet – es entstehen Orte mit Geschichte und ein dichtes Netzwerk an verbundener Gemeinschaften.

Doch sind diese neu entdeckten Dörfer die einzigen geschichtsbildenden Orte im Hochgebirge? Wie verhält es sich mit der Architektur, mit der die Bewohner der Hochgebirgsplateaus ihre Landschaft erschlossen? Was war dort zuvor? Welche ökonomische Basis hatte der Prozess? Nahm etwa die Mobilität der Bergbewohner wirklich ab oder veränderte sie sich? In welchen Zeiträumen entstand die Kulturlandschaft im Hochgebirge und wann wurde sie aufgegeben? Solche Fragen stand im Zentrum des internationalen und multidisziplinären Forschungsprojekt, dessen Arbeitsgebiet neben der Archäologie auch Geophysik, Geoarchäologie, Archäozoologie und –botanik und verschiedene Disziplinen der Bioarchäologie wie Isotopen-Analysen, physische Anthropologie, Paläogenetik oder Proteomik umfasst.

Die Funktionalität von Siedlungen in unterschiedlichen Höhen – permanente oder saisonale Besiedlung, chronologische Unterschiede oder anderes – sowie die Nutzung der Landschaft während der späten Bronzezeit wurden untersucht. Weitere Untersuchungen, die noch nicht abgeschlossen sind fassten die biologischen Grundlagen der menschlichen und tierischen Bewohner der neuen Dörfer ins Auge. Nicht zuletzt waren auch die sozio-kulturellen Aspekte der langsam sesshaft werdenden Gemeinschaften im Blick.

Grabhügelfeld auf dem Becasyn-Plateau und Blick auf die Siedlung Gumbashi
Grabhügelfeld auf dem Becasyn-Plateau und Blick auf die Siedlung Gumbashi © DAI Eurasien-Abteilung // A. Sorotokina
Kabardinka 2. Orthophotoplan des spätbronzezeitlichen Hauses 14.
Kabardinka 2. Orthophotoplan des spätbronzezeitlichen Hauses 14. © DAI Eurasien-Abteilung // Sabine Reinhold
Kabardinskij 9. Großer und kleiner Steinkreis
Kabardinskij 9. Großer und kleiner Steinkreis mit zwei verwandten Individuen © DAI Eurasien-Abteilung // Sabine Reinhold
Die Hochplateaus südlich von Kislovodsk
Die Hochplateaus südlich von Kislovodsk im Oktober 2008. In den verschneiten Arealen liegen die spätbronzezeitlichen Siedlungen © DAI Eurasien-Abteilung // Sabine Reinhold
Siedlung Abasykyshlak
Die Siedlung Abasykyshlak im Oktober 2007. © DAI Eurasien-Abteilung // Sabine Reinhold
Prospektion 2009
Prospektion der Siedlung Gumabshi 1, 2009 © OOO Nasledie/DAI Eurasien-Abteilung // Andrej B. Belinski
Quadratische Häuser einer linearen Siedlung
Quadratische Häuser einer linearen Siedlung © DAI Eurasien-Abteilung // Sabine Reinhold