Rom, Domus Aurea

Wandfresko aus Raum 92, Südseite

Ergebnisse

Zwar ist die Anlage wiederholt unter den verschiedensten archäologischen, architektonischen und kunsthistorischen Gesichtspunkten beschrieben und interpretiert worden, die alle wichtige Informationen erbrachten. Dennoch besteht über weite Teile der Anlage Unkenntnis hinsichtlich ihrer Entstehungsgeschichte, Funktion und Gestalt sowie ihrer Umstrukturierung und Nutzung nach dem Tod Neros. Entscheidende neue Impulse gingen von den Untersuchungen Laura Fabbrinis aus, die sich mit den Grabungen des oberen Stockwerks auf eine Mikroanalyse der Bauvorgänge konzentrierte, wie die Bereitstellung des Baugrundes, Vorgängerbebauung, verwendete Materialien sowie Entwurf und Konstruktion. Durch sie konnte geklärt werden, dass auch in neronischer Zeit die heute erhaltene Abfolge an Kammern als Unterbau für ausgedehnte Peristyle und Wasserspiele auf der Ebene des „piano nobile“ diente.

Doch was bis heute aussteht, ist eine exakte Aufnahme und Untersuchung aller Bestandteile, die es erlaubt, die Reste in ihrer Position im Ganzen und vor allem die Planungs- und Bauvorgänge einzuschätzen. Aus der Analyse der verschiedenen Teilbereiche hat sich bei unseren Arbeiten ergeben, dass es sich nicht, wie man anfangs glaubte, um einen einheitlichen Bau handelte, aber die bisher gewonnenen Erkenntnisse sind wiederum in sich widersprüchlich. Insbesondere ist nicht klar, wie sich der Neubau zu den Gebäudeanlagen, die vor dem Stadtbrand (64. n. Chr.) an der Stelle der Domus Aurea standen und die teilweise in das Projekt integriert wurden, verhielt. Ferner sind auch ihre Umbauphasen bis zur Errichtung der Trajanstherme (offizielle Einweihung 109 n. Chr.) kaum bestimmt, weil die bisherigen Dokumentationen insgesamt und in entscheidenden Details unzureichend blieben.

Aus diesem Grund konzentrierten sich die Arbeiten in den Jahren 2008 und 2009 auf den Außenraum der Domus, da es bisher kein einheitliches Vermessungsnetz gab zwischen dem Park Colle Oppio, in dem die Reste der Trajansthermen stehen, und der Domus Aurea, die sich unter dem Park erstreckt. Um diesen Umstand zu verstehen, sei an die Geschichte der Domus Aurea erinnert. Nach dem Brand von 104 n. Chr. wurden die Substruktionen teilweise erweitert und darauf die Thermen des Trajan errichtet. Die Zuständigkeit für die Trajanstherme und den Park „Colle Oppio“ liegt bei der Comune di Roma, weil damit hauptsächlich die Pflege des öffentlichen Parks auf dem Oppio verbunden ist. Hingegen wird die erwähnte Substruktion, die - wie gesagt - gerne als eigentlicher Kern der Domus Aurea verstanden wird und auf die sich die Therme setzt, von der staatlichen Soprintendenza (Antikenverwaltung) verwaltet.

Dieser Umstand hat dazu geführt, dass bei den verschiedenen bisherigen Dokumentationsversuchen entweder nur die Therme oder nur das Residenzgebäude erfasst wurde. Ein Gesamtplan der baulichen Strukturen (Innen und Außen) existiert zwar, doch ist dieser in vielerlei Hinsicht unstimmig, da die Objekte (Park, Therme und Residenzgebäude) ohne gemeinsame Bezugspunkte und oft nur nach Augenmaß positioniert wurden. Eine Bewältigung der gestellten Aufgabe kann aber nur im engen Austausch mit verschiedenen Disziplinen (Vermesser, Archäologen, Bauforscher) geschehen, die sich gemeinsam auf ausgewählte Bereiche konzentrieren.

Aus diesem Grund hat die Abteilung Rom in zwei Kampagnen 2008 und 2009, zusammen mit dem Lehrstuhl für Geodäsie der ETH Zürich, ein Geländemodell des Colle Oppio erstellt, in dem es nun erstmals feste trigonometrische Bezugspunkte gibt, die gleichermaßen für Park, Therme und Residenzgebäude mit allen ihren Teilbereichen gelten und es erlauben, in bestimmten Grenzen die diversen Pläne in Relation zu setzen.

Nachdem 2009, ausgehend von den trigonometrischen Bezugspunkten, ein Großteil der Außenanlage der Domus Aurea dokumentiert wurde, konzentrierten sich die Arbeiten 2010 auf den westlichen Teil des Residenzgebäudes. Die hier begonnene Vermessung von Fixpunkten, mit denen der Grundrissplan der Soprintendenz in Übereinstimmung mit dem neu erstellten Plan der Außenanlagen gebracht werden sollte, zeigte nicht nur große maßliche Differenzen auf, sondern auch starke Richtungsabweichungen zwischen Therme und Residenzgebäude. Ein Versuch, mittels Bildbearbeitungsprogramme die vektorisierten Pläne der Soprintendenz durch Stauchen oder Strecken auf eine vertretbare Übereinstimmung zu bringen, scheiterte, da die Verformungen nicht mehr mit den baulichen Gegebenheiten vor Ort übereinstimmten. Aufgrund dieses Umstandes wurde mit einer Neuvermessung des westlichen Gebäudeabschnitts begonnen. Die Arbeiten wurden in den Jahren 2010 und 2012 fortgeführt, so dass nun für den westlichen Teil der Anlage ein neuer Grundrissplan vorliegt, der die Räumlichkeiten Nr. 8-68 umfasst. Ferner wurde die Fassade der Südseite der Domus Aurea aufgenommen. Um einen besseren Kenntnisstand über den baulichen Zusammenhang von Domus und Trajansthermen zu bekommen, wurden mehrere Schnittzeichnungen angefertigt, die neben den konstruktiven Gewölbestärken von Domus und Therme auch Hinweise zur Erdauffüllung im Außenbereich der Domus geben sollen.

Parallel zur Vermessung wurden an den einzelnen Mauerzügen die Ziegelmoduli ermittelt. Hierbei werden 5 Ziegellagen plus Fugenbett sowie Dicke und Länge der Ziegel gemessen und in Tabellen eingetragen . Zwar mauerte jeder Bautrupp individuell, doch lassen sich trotz Schwankungen in den Ziegellagen Gemeinsamkeiten feststellen, die Aussagen über Bauablauf, Bauphasen und Datierung zulassen. So konnte bei den Arbeiten beobachtet werden, dass für die Errichtung der Räume 8-17 keine neu gebrannten Ziegel verwendet wurden, sondern Ziegelmaterial in Zweitverwendung. Das Material stammte also von Gebäuden, die beim Stadtbrand von 64. n. Chr. zerstört wurden. Diese Erkenntnis verändert gegenüber den bisherigen Studien grundlegend den Ausgangspunkt der Interpretation. Bisher ging man aufgrund des stark variierenden Ziegelmaterials von einer Vielzahl an Bauphasen im Residenzgebäude aus, die mit Bauaktivitäten zwischen 60 n. Chr. bis in flavische Zeit in Verbindung gebracht wurden. Nun ist diese Position grundlegend zu revidieren. Es mögen sich auch jetzt noch verschiedene Phasen dahinter verbergen, jedoch müssten diese methodisch anders erfasst werden, etwa durch die Analyse des Mörtels oder anderer Kriterien.