Syrakus - Das Kastell Euryalos und die Langen Mauern

Kastell Euryalos, Phasenplan © DAI Rom // Anonym

Raum & Zeit

Die Siedler aus Korinth, die nach Thukydides im Jahre 732 v. Chr. an der Ostküste von Sizilien die Stadt Syrakus gründeten, trafen dort Bedingungen an, die kaum günstiger für eine Siedlung sein konnten und sich bis in die Neuzeit bewährt haben: die gut zu befestigende Insel Ortygia als erster Siedlungsplatz liegt an einem der besten und größten Naturhäfen des ganzen Mittelmeeres, im Süden der Stadt dehnt sich ein üppiges Fruchtland aus, gut zu sichernde Wegeverbindungen führen ins Landesinnere. Syrakus war daher nicht nur unter den Griechen bedeutend, als es die größte und mächtigste Stadt des griechischen Westens war und bisweilen gar Athen Konkurrenz machte.

Die so ausgestattete Siedlung konnte sich ihr Umfeld rasch sichern und bereits unter der zentralistischen Herrschaft des Tyrannen Gelon und seines Geschlechtes im ersten Viertel des fünften Jahrhunderts soweit ausdehnen, dass es gar einem Flächenstaat gleichkam. Die große Bewährungsprobe erlebte die Stadt 414/13 v. Chr. im langen und nur nach schweren Verlusten errungenen Sieg gegen Athen, der indirekt den Peloponnesischen Krieg entschied. Die traumatischen Erfahrungen aus diesem Krieg führten den Tyrannen Dionysios I. bei einer neuerlichen Bedrohung durch Karthago dazu, der einzigen ungünstigen Naturgegebenheit ihre Gefahr zu nehmen: Das im Norden bedrohlich über dem Stadtgebiet gelegene Hochplateau Epipolai, das im Athener Krieg einen erbitterten Stellungskrieg gesehen hatte, musste geschützt und uneinnehmbar gemacht werden. So entstand die größte Verteidigungsanlage der ganzen griechischen Welt mit einer Länge von ca. 21 km mit einem großen Kastell, dem sog. Kastell Euryalos, an seiner Westspitze. Die Verteidigungsanlage wurde von den nachfolgenden syrakusannischen Strategen, Tyrannen und hellenistischen Königen (Dionysios II, Timoleonte, Agathokles, Hierion II) bis zum Ende des 3. Jhs. v. Chr. immer weiter und monumentaler ausgebaut, vor allem im Bereich des Kastells Euryalos. Dabei dienten die sog. Langen Mauern, die ja vor allem das Hochplateau Epipolai sicherten, wohl weniger der unmittelbaren Befestigung der Stadt selbst, sondern hatten die Charakteristika und Aufgaben einer sog. Landschaftsfestung. Sie waren zum einen dazu bestimmt, einem Belagerer den Zugriff und die Verschanzungsmöglichkeit auf dem Hochplateau zu verwahren, denn davon war die tödliche Bedrohung der Stadt im großen Krieg gegen Athen ausgegangen. Zum anderen waren sie dazu angelegt, im Kriegsfalle die Landbevölkerung sicher und wohl geordnet unterzubringen. Unsere Untersuchungen haben durch die neue Identifizierung einer Reihe von Toren und auf diese zuführenden Landstraßen ein anschauliches Bild davon ergeben, wie systematisch die Anlage mit dem Umland in Verbindung stand. Gleichzeitig haben wir sichere Hinweise auf die Einrichtung von Lagern gleich hinter den Mauern erhalten, in denen die Bevölkerung im Notfall untergebracht und versorgt werden konnte.

Das Kastell auf der Westspitze erlebte einen immer monumentaleren Ausbau bis in hochhellenistische Zeit, war am Schluss aber wohl derart überdimensioniert, dass es beim entscheidenden Angriff der Römer auf die alte Griechenstadt keine Wirkung mehr hatte. Es steht vielmehr für den propagandistischen Anspruch der hellenistischen Könige des Stadtstaates. Gleiches darf wohl für die farbige Überlieferung der antiken Quellen vom persönlichen Einsatz des Dionysios und der Geschwindigkeit beim Bau der Langen Mauern gelten.