Kulturerhalt des Irak
Die Archäologie und Baugeschichte des Irak hat enorme Bedeutung für die Großregion. Jahrtausendealte Lehmbauwerke der ersten Bauern und Stadtbewohner treffen hier auf imposante Baukunstwerke von historischer Bedeutung und sie haben fast immer eines gemeinsam: der Werkstoff ist Lehm. Anders als die steinernen Pyramiden und Tempel in Ägypten sind Gebäude aus Lehmstein (auch Lehmziegel genannt) und Backstein sehr anfällig für Verwitterung durch Regen und Wind. Sie sind daher in der Landschaft oft nur in Form von Lehmhügeln erkennbar. Die offenen Flächen alter Ausgrabungen vergangener Jahrhunderte, Wettererosion, moderne Veränderungen durch Landwirtschaft oder Ausbau von Infrastruktur, das Wachstum der Städte, aber auch Zerstörungen in Folge von Konflikten stellen so die moderne Archäologie des Irak vor Herausforderungen, denen nur gemeinsam begegnet werden kann.
Die Außenstelle Baghdad hat einen besonderen Arbeitsschwerpunkt im Bereich des Kulturgutschutzes im Irak. In enger Zusammenarbeit mit irakischen Universitäten und dem State Board of Antiquities and Heritage im Irak (SBAH) führt sie deshalb seit mehr als 10 Jahren mit großem Engagement Kulturerhalt-Projekte durch.
Gemeinsam mit universitären und außeruniversitären Partnern wird regelmäßig ein „Iraqi-German Summer Graduate Programme“ durchgeführt, das sich an irakische Studierende und Praktiker:innen richtet. Dieses Programm ist eine Plattform für den Austausch und die Diskussion über wissenschaftliche Arbeiten aus den vielfältigen Bereichen der Archäologie, der Philologie und des Kulturerhalts und es bietet die Gelegenheit, Methoden und die Auswertung von Ergebnissen zu diskutieren. Aufgrund der starken Nachfrage wurde das Programm jüngst zu einem Irakisch-Deutschen Zentrum für Archäologie und Assyriologie, beheimatet an der Universität Baghdad, erweitert und verstetigt. Das Zentrum wird Forschungsprojekte im Irak unterstützen und sich bei der Aus- und Fortbildung von Expert:innen im universitären Bereich engagieren. Für die Arbeit vor Ort wird die Außenstelle des DAI in Baghdad das Zentrum als sichtbaren Knotenpunkt nutzen.
Im Rahmen des „KulturGutRetter“-Programms des Deutschen Archäologischen Instituts und in Verknüpfung mit der Arbeit des Archaeological Heritage Network (ArcHerNet) begegnen Kulturgutschutzexpert:innen, unter anderem auch aus der Orient-Abteilung, akuten Herausforderungen, wie den Zerstörungen durch ISIS in Nimrud und Mosul im Norden des Irak, durch internationale Kooperationsprojekte mit Schwerpunkt im Kulturerhalt. In diesem Zusammenhang führt die Außenstelle Baghdad das Fortbildungsprogramm „Iraqi German Expert Forum on Cultural Heritage“ (IGEF) zu Bauforschung und Bauerhalt durch, das über ein halbes Jahr hinweg anteilig im Irak und in Deutschland stattfindet. Ziel ist es, Mitarbeiter:innen der irakischen Antikenbehörden und Museen durch Fortbildungen weiter zu professionalisieren und damit Facheinrichtungen des Irak und traditionell gut verankerte wissenschaftliche Strukturen zu stabilisieren.
Die wissenschaftlichen Projekte der Orient-Abteilung im Irak, und speziell der Außenstelle Baghdad, werden stets von Erhaltungsmaßnahmen, Capacity building-Programmen und Beiträgen zur Stärkung des Bildungsbewusstseins in der Bevölkerung begleitet. Zum einen werden Konservierungsmaßnahmen organisiert und umgesetzt sowie Pläne zur nachhaltigen Tourismusförderung für die Weltkulturerbestätte Uruk von spezialisierten Fachkräften aus Deutschland gemeinsam mit Mitarbeitenden der irakischen Antikenverwaltung entwickelt. Zum anderen berichten die Wissenschaftler:innen durch öffentliche Vorträge über aktuelle Forschungsergebnisse in den lokalen Universitäten der südirakischen Provinzen wie in Baghdad, al-Muthanna, Diwaniyah und in al-Najaf, inbesondere über die Forschungsprojekte Uruk und Hira. Das Kulturerbe soll darüber in der lokalen Gesellschaft stärker bekannt gemacht und darüber ein kleiner Beitrag zum Identitätsbewusstsein geleistet werden.
Durch die Gefährdung des kulturellen Erbes im Überschwemmungsgebiet des Makhul-Staudamms im nördlichen Zentralirak sind neue Erhaltungsstrategien gefragt. Gemeinsam mit Mitarbeitenden der Antikenverwaltung und mit Hilfe von Fortbildungsprogrammen soll hier direkte Unterstützung angeboten werdne. Ziel ist die Dokumentation und möglichst die Rettung des bedrohten kulturellen Erbes. Die neu gegründete Ta’ziz Antiquity Alliance des Auswärtigen Amtes wird die lokale Expertise der örtlichen Antikenverwaltungen im Nordirak stärken und den institutionellen Austausch zwischen den Behörden in den ethnisch diversen Regionen des Nordirak auch mit Projekten im archäologischen Bereich, betreut von Mitarbeiter:innen der Orient-Abteilung, fördern.
Neben ihren aktiven Tätigkeiten in Forschung und Kulturerhalt war es der Außenstellen Baghdad immer wieder möglich, die irakische Antikenverwaltung auch im Erhalt von wertvollen Archivmaterialien mit Technik und Knowhow zu begleiten. Bereits 2004 konnte das Irak-Museum in Baghdad mit Archivschränken für das Tontafelmagazin und die Vitrinen mit neuen Schlössern ausgestattet werden. Zuletzt, in den Jahren 2017 und 2018, wurden den entsprechenden Archivabteilungen der irakischen Antikenverwaltung.
Geräte zum Zweck der Digitalisierung von Archivmaterialien, wie Unterlagen und Pläne, organisiert und 2019 die Antikenverwaltung in Mosul mit Büro- und Dokumentationstechnik ausgestattet. Um die Spezialfunktionen der Geräte zu erklären und archivspezifische Probleme zu diskutieren, werden regelmäßig Workshops mit irakischen Kolleg:innen aus der Archivabteilung veranstaltet.